: „Das ist eine Bauchsache, die muss man ernst nehmen“
SHOWDOWN Letztes Duell für die Kontrahenten im Konflikt ums Tempelhofer Feld: Kurz vor dem Volksentscheid für oder gegen Randbebauung hatte die taz zum Schlagabtausch geladen. Für die meisten von ihnen steht am Sonntag mehr auf dem Spiel als ein paar Wohnungen – es geht ihnen um Grundsätzliches: die Stadtentwicklung der Zukunft
■ 61, ist einer von fünf Vorständen der Bürgerinitiative 100 % Tempelhofer Feld. Er ist zudem Mitglied des BUND und bei der Umweltorganisation für das Feld zuständig.
MODERATION BERT SCHULZ FOTOS PIERO CHIUSSI
taz: „Wohnen oder Leben“ lautet das Motto unserer Debatte kurz vor dem Volksentscheid. Es ist der komplexeste, seit dieses Gesetzgebungsverfahren in Berlin eingeführt wurde. Die Umfragen zeigen: Noch ist die Entscheidung nicht gefallen. Herr Schneidewind, was steht am Sonntag auf dem Spiel?
Michael Schneidewind: Eine Richtungsentscheidung für die Berliner Stadtentwicklung. Es geht um die Fragen: Wie kann die Krise auf dem Wohnungsmarkt gelöst werden? Wie viele Schulden wollen wir folgenden Generationen hinterlassen? Und wie stellen wir uns die Stadt in 20, 30 Jahren vor?
Daniel Wesener: Ich sehe auch eine Richtungsentscheidung, und zwar in dreierlei Hinsicht. Erstens: Wollen wir weiterhin eine Stadtentwicklungspolitik von oben, die das Recht des Stärkeren vertritt? Zweitens: Wie gelingt es uns, soziale Wohnungs- und Mietenpolitik zu machen? Nicht nur auf dem Tempelhofer Feld, sondern generell. Drittens ist es eine Entscheidung darüber, wie Berlin mit Großprojekten umgeht.
Sie haben sicher auch drei Punkte, Herr Müller.
Michael Müller: Nein, nur zwei. Einmal geht es um eine ganz konkrete Bebauungsabsicht: 1.700 Wohnungen am Tempelhofer Damm. Wohnungen in guten innerstädtischen Lagen auf landeseigenen Flächen mit der kompletten Infrastruktur wie U- und S-Bahn vor der Tür. Die zweite Frage ist grundsätzlicher Natur: Ist es möglich, in der gesamten Stadt, in allen Bezirken und Lagen zusätzliche Infrastruktur zu schaffen? Es geht auch um Kitas, Schulen, Gesundheitsangebote. Im letzten Jahr sind 50.000 Menschen nach Berlin gekommen, Zehntausende werden folgen. Die suchen Wohnraum. Stadtgesellschaft und Politik dürfen da nicht einfach zugucken.
Ingo Malter: Ich sehe das nicht so als riesige Grundsatzfrage. Es geht nicht um Krieg und Frieden, sondern um einen vernünftigen Ausgleich zwischen vielen legitimen Interessen. Dazu gehört das Interesse, unsere viel gelobte Berliner Mischung in den Wohnquartieren zu erhalten – dass also auch Menschen mit geringem oder gar keinem Einkommen in der Innenstadt leben können.
Herr Schneidewind, die Grünen unterstützen Sie, wollen aber nach dem Volksentscheid mit der Diskussion beginnen, was denn gebaut werden könnte. Fühlen Sie sich nicht veräppelt?
Schneidewind: Ich weiß nicht, woher Sie das haben.
Das hat Frau Jarasch gesagt, sie ist neben Herrn Wesener Landesvorsitzende.
Schneidewind: Unser Gesetzentwurf ist so angelegt, dass der für ein paar Jahre auf alle Fälle hält. Wenn wir alle sozialen, ökonomischen, sozialen und stadtgestalterischen Belange abwägen, auch unter Berücksichtigung des Klimawandels, dann gibt es einfach keinen vernünftigen Grund, dieses Feld in absehbarer Zeit zu bebauen. Dass die Grünen ab dem 26. Mai über Bebauung nachdenken wollen, ist mir nicht bekannt. Die wollen meines Wissens erst mal die Frage aufwerfen, wie es weitergeht mit dem Tempelhofer Flughafengebäude, mit der Lösung der Krise auf dem Wohnungsmarkt und wie die Menschen bei der Stadtentwicklung wirkungsvoll mitreden können.
Herr Wesener, ich hatte die Grünen so verstanden, dass sie einen erfolgreichen Volksentscheid für einen Cut nutzen wollen, um dann die Bebauungsdiskussion wieder aufzunehmen. Dass Ihr politischer Gegner das brandmarkt, kann man durchaus nachvollziehen.
Wesener: Der Regierende Bürgermeister hat sogar von Schizophrenie gesprochen. Aber wenn wir schizophren sind, teilen wir dieses Schicksal mit vielen Menschen und Verbänden in der Stadt. Das betrifft die anderen Oppositionsparteien und den BUND, aber auch den Bund Deutscher Architekten und viele Stadtplaner: zwei Berufsgruppen, die qua Profession für Stadtentwicklung sind, aber die Pläne des Senats ablehnen. Übrigens haben wir versucht, zusammen mit der Koalition einen alternativen Gesetzentwurf zu formulieren. Das ist auch daran gescheitert, dass die Koalition den sozialen Wohnungsbau nicht verbindlich festschreiben wollte.
Noch mal: Ein Ja für den Entwurf der Initiative ist nicht unbedingt ein Nein zur Bebauung?
■ 49, ist seit 2011 Senator für Stadtentwicklung. Von 2004 bis 2012 war er Vorsitzender der Berliner SPD.
Wesener: Hier wird doch auf demokratischem Weg ein Volksgesetz beschlossen. Und da sagen wir Grünen als erste: Selbstverständlich gilt dieses Votum. Selbstverständlich ist aber auch, dass kein Gesetz für die Ewigkeit gemacht ist. Genau das hat meine Kollegin gesagt.
Müller: Ich komme aus dem Staunen nicht heraus, wie spielerisch Sie mit einem Volksgesetz umgehen. Stellen wir uns mal vor, der Gesetzentwurf der Volksinitiative wäre erfolgreich, und der Senat würde am nächsten Tag sagen: Jetzt überlegen wir uns, wie wir trotzdem bauen können. Da würden die Grünen als erste „Skandal!“ rufen. Aber ich sage noch mal, warum ich Ihren Gesetzentwurf für falsch halte, Herr Schneidewind: Wenn er Erfolg hätte, würde in den nächsten 15, 20 Jahren nicht gebaut. Und zwar in innerstädtischen Lagen mit dem kompletten Mobilitätsangebot. Wollen wir ausgerechnet städtische Flächen ausklammern, wo wir mit städtischen Gesellschaften bauen können? Das, was wir am Feld alle so toll finden, können wir doch trotzdem machen: Fahrrad fahren, grillen, mit dem Hund spazieren gehen, Freunde treffen, all das ist auf 230 Hektar weiter möglich. Nur den Menschen, die nach Berlin ziehen, können wir nicht sagen: Schön, dass ihr kommt, aber wohnen könnt ihr hinter den sieben Bergen.
Malter: Mich wundert an diesen Debatten, dass alle glauben, die Innenstadt müsse unbedingt so bleiben, wie sie ist. Wir können heute alle in dieser Stadt wohnen, weil frühere Generationen hier märkische Kiefern gefällt und Häuser gebaut haben. Jeder hält das für selbstverständlich, nur er muss keinen Beitrag leisten, dass sich die Stadt auch künftig entwickelt. Zum Thema sozialer Wohnungsbau: Ich höre immer wieder, das sei Lug und Trug. Da schimmert die alte klassenkämpferische Haltung durch: Das Schweinesystem belügt uns. Ich kann Ihnen zeigen, wie sozialer Wohnungsbau funktioniert, das ist kein Zauberwerk.
Wesener: Ich sehe beim Thema sozialer Wohnungsbau ein großes Misstrauen in der ganzen Stadt. Dass der Mietenmarkt explodiert, macht sich inzwischen in allen Bezirken bemerkbar. In den letzten zehn Jahren sind die Mieten im Schnitt um 30 Prozent gestiegen. Aber jetzt sagen Sie, Herr Müller: Auf dem Tempelhofer Feld entscheidet sich, ob Berlin soziale Wohnungspolitik kann. Sicher könnte das Feld ein Beispiel dafür sein, wie man progressive Mietenpolitik macht. Aber doch nicht wir oder die Initiative machen den BerlinerInnen etwas vor! Ich habe hier die Broschüre Ihrer Fraktion zum Volksentscheid. Da heißt es: „Nach den Planungen des Senats sollen bis zu 4.700 bezahlbare Wohnungen entstehen.“ In Ihrem Gesetzentwurf steht von „bezahlbar“ kein einziges Wort. Was haben Sie versprochen? Dass auf Tempelhofer Seite 1.700 Wohnungen entstehen, von denen die Hälfte zwischen 6 und 8 Euro netto kalt kosten soll. Tatsache ist: 25 Prozent der BerlinerInnen können sich auch das nicht leisten. Familien, Alleinstehende im ALG-II-Bezug sind auf 5,50 Euro festgenagelt. Die „Berliner Mischung“, von der Sie reden, Herr Malter, genau die gäbe es nicht.
Herr Malter, erklären Sie doch mal, was Sie bauen wollen.
Malter: Sozialwohnungen, wie gesagt. Wohnungen, wie Sie sie im Umfeld in ähnlicher Traufhöhe vorfinden, mit gemischten Wohnungsgrößen. Es wird welche mit 35 Quadratmetern geben und auch welche mit 90, für Alleinstehende, Alleinerziehende, Familien. Wenn ich Durchmischung sage, meine ich, dass da kein Sozialgetto entsteht. Früher wurde der Fehler gemacht, 500 Wohnungen mit demselben Grundriss zu bauen. Hier soll aber ein Querschnitt der Bevölkerung wohnen können. Auch Menschen mit Wohnberechtigungsschein, auch Transferleistungsempfänger.
Aber es soll auch hochpreisige Mietwohnungen geben.
Malter: Wer heute neu baut, muss eine Kostenmiete von 10 Euro kalkulieren. Das kann der Durchschnittsverdiener nicht bezahlen. Deshalb müssen wir einen Teil der Wohnungen direkt oder indirekt heruntersubventionieren. Direkt durch eine Mietpreis-Spreizung. Da drücken ein, zwei Quadratmeter für 11 Euro einen anderen Quadratmeter auf 8 Euro. Wenn wir dann noch die Förderungen durch den Senat in Anspruch nehmen, sind wir bei 6 Euro oder 6,50 Euro.
Wesener: Jetzt muss ich mich doch mal aufregen. Die SPD sagt, sie wolle auf dem Tempelhofer Feld bezahlbaren Wohnraum schaffen. Nur: Ein Viertel der BerlinerInnen und die Empfänger von Transferleistungen können die geplanten Mieten gar nicht bezahlen. Herr Müller, trotz des Mietenbündnisses, das Sie unter großem Tamtam mit den Wohnungsbaugesellschaften geschlossen haben, haben die im vergangenen Jahr 80.000 Mieterhöhungen verschickt. Ich glaube Ihnen ja, dass Sie eine sozialere Wohnungs- und Mietenpolitik machen möchten. Aber die gibt es nicht für umsonst. In Wirklichkeit bestimmt die Wohnungspolitik ein anderer: Finanzsenator Nußbaum.
Müller: Jetzt haben wir von Ihnen eine ganze Menge gesundes Halbwissen gehört. Aber die Grünen sagen immer nur, was nicht geht, nie, was getan werden muss. Wir sind an der Stelle, wo wir nicht mehr warten können. Sie haben ja selbst kritisiert, dass zu lange zugesehen wurde. Und seit 2012 haben wir alles für den Bestand gemacht, was landesrechtlich geht: von Mietenstopp über Kappungsgrenzen und Zweckentfremdungsverbot bis zu erweiterten Kündigungsklauseln und Milieuschutz. Einzige Ausnahme: die Verordnung zur Verhinderung der Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen, für die habe ich im Parlament keine Mehrheit. Punkt. Das andere ist Neubau. Aber jetzt kommen Sie und sagen: So doch nicht! Ja, wie denn sonst? Die Bauflächen in der Innenstadt gehören zu 85 Prozent Privaten. Da kann ich Klimmzüge machen mit städtebaulichen Verträgen, direkten Einfluss habe ich aber darauf nicht. Mit den städtischen Wohnungsbaugesellschaften und der Wohnungsbaugenossenschaft Ideal habe ich Partner, mit denen ich anders bauen kann. Keine Eigentumswohnungen, kein Luxus. Übrigens sind Mieten von 6 Euro oder 6,50 Euro für Ein- und Zwei-Personen-Haushalte SGB-II-fähig.
Herr Schneidewind, hatten Sie eigentlich am Anfang mit so viel Zustimmung gerechnet?
■ 38, ist seit März 2011 gemeinsam mit Bettina Jarasch Vorsitzender des Berliner Landesverbandes von Bündnis 90/Die Grünen. Er wird dem linken Flügel der Partei zugerechnet.
Schneidewind: Offenbar bildeten die Bürgerformate, die die Senatsverwaltung zum Großprojekt Tempelhofer Feld durchgeführt hat, nicht die Wirklichkeit ab. Wenn der Volksentscheid erfolgreich ist, wird man darüber nachdenken müssen, wie es weitergeht mit der Bürgerbeteiligung. Wichtig ist eine von der Senatsverwaltung unabhängig agierende Moderation aller Bürgerbeteiligungen. Abgeordnetenhaus und Senat haben zu lange gedacht, wir als Amateurmannschaft schaffen das sowieso nicht. Aber unsere Initiative hat in zwei Jahren eine respektable Aufklärungskampagne durchgeführt, die dann von den Medien aufgegriffen wurde. Mittlerweile sind wir auf Augenhöhe mit den Profis aus der Senatsverwaltung und haben viele hunderttausend Fans.
Der Vertrauensverlust bei den Bürgern scheint groß zu sein, was die Botschaften der Politik angeht. Herr Müller, wieso glaubt Ihnen niemand mehr?
Müller: Zum einen haben wir es hier mit einer sehr emotionalen Debatte zu tun. Viele sehen, dass es fantastisch ist auf dem Feld, und sagen: So eine Fläche in der Innenstadt ist einmalig in der Welt, warum soll sich das verändern? Das ist eine Bauchsache, die muss man ernst nehmen. Und die Menschen haben zum Teil ihre Erfahrungen gemacht. Es ist zu lange nichts passiert in der Wohnungspolitik. Deswegen sagen einige: Meint ihr das jetzt wirklich ernst? Das ist verständlich. Aber seitdem hat sich auch einiges grundlegend verändert in der Mietenpolitik. Und wir schaffen bewusst Belast- und Belegbares, unter anderem mit dem Gesetzentwurf des Abgeordnetenhauses und mit einer unterzeichneten Vereinbarung mit den Wohnungsbaugesellschaften, was für Wohnungen entstehen sollen.
Wesener: Zu dem Vorwurf, die Grünen würden sich tot stellen. Der Senat hat ein Neubauprogramm aufgelegt von 1.000 Wohnungen jährlich, von denen lediglich ein Drittel sozial sein soll. Unser Vorschlag lautet: 25.000 neue Sozialwohnungen unter 6 Euro netto kalt in zehn Jahren.
Müller: Wo wollen Sie denn ihre 25.000 Wohnungen bauen? Sie wehren sich ja schon vehement gegen 4.700 auf dem Feld und das ist nicht der einzige Platz in Berlin, wo die Grünen sich gegen Bebauung aussprechen!
Wesener: Da gucke ich mir einfach den Stadtentwicklungsplan Wohnen an, der weist in Berlin Flächenpotenziale für 220.000 Wohnungen aus. Ich bin tatsächlich nicht der Ansicht, dass man auf dem Tempelhofer Feld zwangsläufig gar nichts bauen darf. Aber Sie suggerieren, von diesem Ort hinge das Schicksal des sozialen Wohnungsbaus ab. Das ist nicht der Fall. Wenn Sie Vertrauen zurückgewinnen wollen, brauchen Sie einen anderen Ansatz. Das fängt an mit einer vernünftigen Bürgerbeteiligung – nicht die Sandkastenspiele, die Sie zum Tempelhofer Feld veranstaltet haben, wo man diskutieren konnte, ob der Eingang vorne oder hinten ist.
Müller: Ja, ja, Herr Wesener, Partizipation ist immer dann gut und schön, wenn das Ergebnis den eigenen Wünschen entspricht. Aber im Ernst: Spannend ist doch, dass sich da immer ganz unterschiedliche Stimmen zu Wort melden. Und es hat doch ganz konkrete Auswirkungen gehabt. Die Bürger haben gesagt: Wir wollen keine Internationale Gartenausstellung. Das ist korrigiert worden. Auch das Columbiaquartier war fest geplant. Da haben unter anderem die beteiligten Bezirke, aber auch viele Bürger gesagt: Hört auf, da sind Sportflächen, da sind die Anlagen der Amerikaner, lasst uns diesen freien Zugang. Auch das ist korrigiert worden. Ich sage jetzt noch etwas, was in dieser Runde nicht so gut ankommen wird: Partizipation ist eine Ergänzung zur parlamentarischen Demokratie, kein Ersatz. Die Parlamentarier, Regierung und Opposition, haben einen Auftrag von ihren Wählern, deren Interessen durchzusetzen. Die Masterpläne gehören da auch dazu.
Schneidewind: Ich bin auch der Meinung, dass Volksentscheide eine Ergänzung der repräsentativen Demokratie sind. Es geht eben künftig nicht mehr nur darum, kollektiv Entscheidungen zu treffen, sondern kollektiv Entscheidungen zu erarbeiten. Politik muss dialogfähiger werden. Mein Vorschlag: Wenn künftig solche Schlüsselprojekte anstehen, sollten alle immer mit dem Wissen an der Planung arbeiten, dass es zum Schluss ein Referendum gibt. Das wäre gut so, denn die meisten Politiker sind doch sehr wahlkreisbezogen und denken in Legislaturperioden. Die Bürger denken da ganzheitlicher und in Lebenszyklen.
■ 52, ist seit 2010 Geschäftsführer der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft Stadt und Land.
Müller: Wenn der Gesetzentwurf der Initiative am Sonntag erfolgreich ist, wird für zwei, drei oder vier Legislaturperioden nicht gebaut. Ich halte das für falsch. Ich möchte bauen, angefangen mit dem Quartier am Tempelhofer Damm. Aber das heißt doch nicht, dass wir über dessen Gestaltung und erst recht die der anderen Quartiere nicht mehr diskutieren. Da können BürgerInnen ihre Kompetenz einbringen. Die Politik hat die Weisheit sicherlich auch nicht mit Löffeln gefressen, es gibt noch viel Spielraum für Veränderungen. An der Oderstraße etwa, über die Zahl der Stockwerke, die Dichte, die Art der Bebauung. Aber damit es überhaupt Weiterentwicklung gibt, brauche ich ein „Nein“ für 100 % Tempelhofer Feld.
Wie ginge es dann weiter?
Müller: Wir planen in drei Abschnitten. Am Tempelhofer Damm wollen wir 2016 in Bautätigkeit kommen. Parallel soll die Vorbereitung für den Baustart am Südring 2018 beginnen. 2020 soll der Bau des letzten Quartiers an der Oderstraße beginnen.
Und wenn die Initiative Erfolg hat, was passiert dann, Herr Schneidewind?
Schneidewind: Dann haben die Berliner erst mal einige Millionen gespart. Anschließend wird über das Flughafengebäude geredet werden, da kann ich mir eine vorbildliche Bürgerbeteiligung vorstellen. Es wird ebenso vordringlich über die Krise auf dem Wohnungsmarkt geredet werden müssen und über wirkungsvolle Bürgerbeteiligung bei Großprojekten, an denen typischerweise viele wirtschaftliche Interessen hängen.
Wesener: Ich wette, dass der Zeitplan des Senats nicht steht. Das geht los mit dem geplanten Neubau der Zentral- und Landesbibliothek. An diesem völlig überteuerten Großprojekt hält nur noch Klaus Wowereit fest. Eigentlich kenne ich da nur noch einen. Ich sage: Gewinnt am Sonntag der Senat, bedeutet das ein „Weiter so“ ohne echte Partizipation, ohne echten sozialen Wohnungsbau. Das ist Stillstand.