: Eine Frage der Ehre
Das Theater Lübeck versucht, sich gegen ein Verbot des Stücks „Ehrensache“ zu wappnen. Die Mutter eines getöteten Mädchens will die Aufführung bundesweit verhindern, weil man ihre Tochter auf der Bühne wiedererkennen könne. In Hamburg läuft das Stück schon seit September
Das Theater Lübeck will einen außergerichtlichen Vergleich schließen, damit es das Theaterstück „Ehrensache“ des Dramatikers Lutz Hübner aufführen kann. Im Stück geht es um den Geschlechterkonflikt unter jungen türkischen Migranten. Es erzählt von einem Wochenendausflug, an dessen Ende ein minderjähriges Mädchen von seinem älteren Liebhaber erstochen wird.
Hübner hatte einen tatsächlich im nordrhein-westfälischen Hagen geschehenen Vorfall zum Anlass genommen, sich mit dem Thema Ehrenmord zu befassen. Die Mutter des Opfers geht nun gerichtlich gegen die Aufführung des Stücks vor, weil sie die Persönlichkeitsrechte ihrer Tochter verletzt sieht.
Die damals 14-jährige Filis R. und ihre Freundin hatten 2004 ein Wochenende mit zwei jungen Männern verbracht, in dessen Verlauf es auch zum Sex kam. Gegen Ende des Ausfluges tötete der damals 20-jährige Baris G. Filis mit 30 Messerstichen und verletzte hinterher Filis’ Freundin schwer, um sich einer Zeugin zu entledigen. G. behauptet, Filis habe ihn mit der Möglichkeit aufgezogen, sie könne von ihm schwanger sein, was für ihn die Pflicht impliziert hätte, sie zu heiraten. G. und sein Mittäter wurden im März 2005 zu hohen Jugendstrafen verurteilt.
Hübner hat das Geschehen verarbeitet, besteht aber darauf, dass seine Bühnenfigur der „Ellena“ fiktiv sei. Die Mutter von Filis R. sieht nach Angaben ihres Anwaltes dagegen die Gefahr, ihre Tochter könnte in „Ellena“ wiedererkannt werden. Sie hat bereits Aufführungen in Hagen sowie in Essen, Düsseldorf und Münster per einstweiliger Verfügung stoppen lassen. Zentrales Argument ist, das Mädchen werde in dem Stück durch eine aufreizende Art und nicht altersgemäße Kleidung negativ dargestellt.
Das Theater Lübeck strebt nun eine Einigung mit der Klägerin an, nach der das Theater in einem Vorwort sowie in Ankündigungen des Stücks und im Programmheft klarstellt, dass es sich bei „Ellena“ um eine reine Kunstfigur handelt.
Am Jungen Schauspielhaus in Hamburg dagegen läuft das Stück seit September ohne Auflagen (taz berichtete). Das Theater war einer einstweiligen Verfügung mit einer so genannten Schutzschrift zuvorgekommen, die bewirkt, dass das Stück gespielt werden kann. Derzeit ist eine Berufung der Klägerin anhängig.
„Es geht dabei für uns auch darum, die Freiheit der Kunst zu schützen“, sagt der Leiter der Jugendsparte Klaus Schumacher, zumal das Stück sich „ausdrücklich im Konjunktiv“ bewege. „Die Wertigkeit der Geschlechter unter jungen Migranten ist ein brennendes Problem“, sagt der Regisseur. Es müsse möglich sein, solche Fragen auf der Bühne zu verarbeiten. Das Stück ist eines der am besten besuchten im derzeitigen Programm. Häufig kommen Schulklassen. Nach der Vorstellung gibt es immer eine Diskussion, bei der es laut Schumacher sehr lebhaft zugeht. JAN KAHLCKE
Premiere im Theater Lübeck: 11. JanuarNächste Vorstellungen im Hamburger Schauspielhaus (Malersaal): 14. Dezember (11 Uhr), 15. bis 18. Januar