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Archiv-Artikel

Pappeln mögen keine Nudisten

PRINZENBAD Protestaktion: Prinz zu sein muss bezahlbar bleiben

„Dreck“ steht als Graffito an der Wand des Dusch- und Klogebäudes. Diese Meinungsäußerung lässt sich leider gar nicht nachprüfen. Denn meist ist das vor drei Jahren billig mit unverputzten Kalksandsteinen aufgemöbelte Häuschen zu.

Als Stammgast im Prinzenbad seit 1985 fällt mir das aber kaum noch auf. Für mich ist die Wiese –heutzutage meist ziemlich leer –ein persönliches Erinnerungsfeld. Ich weiß, wo mich in den nuller Jahren die Ameisen gebissen haben, ich kann mich noch an die „Pommesluke“ erinnern – eine Imbissgarage, längst dichtgemacht. Ich war dabei, als ein richtig schwerer Pappelast uns beim Nacktrumliegen erschlagen wollte. Pappeln mögen keine Nudisten.

Später haben die Bäderbetriebe dann diesen Sichtblendenzaun aufstellen lassen, damit keiner beim Nacktsein zusieht. Als damals ein Fotograf, von einer kleinen Leiter aus, für den Tagesspiegel ein Bild von dem grünen Ungetüm machen wollte, flog er hochkant raus. „Sie Spanner!“

Nicht nur für die kleinen Muslimjungs gab’s hinterm Zaun Sachen zu sehen, die kannten sie von Mutti einfach nicht. Da spielten welche nackt Tischtennis! Lange her und völlig aus der Mode. Jetzt liegen vorn auf den Stufen die perfekt gepeelten jungen Mädels und zupfen sich ständig an den halterlosen Bikinioberteilen rum – die sind im Trend.

Die Bäderbetriebe versuchen derweil die letzten Gäste abzuschrecken. Inzwischen gibt es sogar – man hat von der Bahn gelernt – Geheimtarife für Sprinter. Angeblich soll man morgens zwischen sieben und viertel nach das Ticket für 3,50 kriegen. Sonst zahlt man seit diesem Jahr in jedem Freibad immer 5,50 Euro. Auch abends gibt es irgendwann 15 Minuten lang einen Discounttarif. Die Preistafel lügt wie gedruckt: „Kein Früh- und Spättarif“.

Die Bademeister, früher natürlicher Feind des Gastes, sind einem inzwischen richtig ans Herz gewachsen. Irgendwann laden sie uns noch zum Grillen ein. Vorher verlangt der neue Bäderchef aber von ihnen, für weniger Geld zu arbeiten. Einige haben bereits, neue, natürlich schlechte dotierte Verträge unterschrieben. Und dann erzählte gestern einer mit dem blauen „Hier geh ich baden“-T-Shirt, die neuen Dienstklamotten müffelten und juckten.

Dafür darf seit Neustem jemand in dem kleinen ehemaligen Hausmeister-Flachbungalow zur Miete wohnen. Der hat natürlich erst mal einen eigenen Wasserzähler bekommen und einen kleinen Zaun zum Restbad. „Der Zaun ist nur einszwanzig, aber der kommt mir nich’ ins Prinzenbad, ohne zu zahlen“, sagt der tatsächlich müffelnde „Meister“ (so nennen ihn die Kids).

Jedes Jahr netter wird es mit Daggi und Matze vom Café. Die stehen auch noch bei 16 Grad und Regen im fast leeren Prinzi und warten auf treue Gäste, die barfuß frierend den selbst gebackenen Kuchen essen. Letzten Monat ist die Frau eines über achtzigjährigen Stammgastes, der ein extra Mittagessen erhält, gestorben. Der kommt seit über 40 Jahren.

Wer einfach nur in Ruhe rumsitzen will, kommt kaum dazu. Dauernd wird irgendwas diskutiert, der Iraner will schon wieder was, der Radiosprecher macht breitbeinig Yoga. Die Araberjungs glotzen interessiert auf die aalglatten Beine der beiden Französinnen. „Aber mach das Wasser nicht dreckig“, sagt der Meister noch, als man endlich die Badehose anzieht. Danach noch schnell Pommes Schranke. Schon ist’s wieder halb acht: „Verlassen Sie die Wasserflächen. Es ist Feierabend.“ ANDREAS BECKER

■ Am morgigen Dienstag, 3. 6. ab 18 Uhr, gibt’s eine „Prinz sein muss bezahlbar bleiben“-Protestaktion gegen die neuen Preise. Vorm Eingang des Prinzenbades.