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Archiv-Artikel

Helden der Arbeit

Das kleine Köpenicker Schlossplatztheater macht alles richtig mit Puschkins Märchen von Pope und Knecht

Das ganze Theater ist nicht viel größer als ein Wohnzimmer. Ein prächtiger roter Vorhang trennt die Bühne von den paar Zuschauersitzen. Mehr ist nicht nötig für das uralte Geheimnis: Wenn er aufgeht, sehen wir tiefer in die Welt hinein, er ist die magische Grenze zur Wahrheit, die man eben nur manchmal überschreiten kann.

Allein für diesen Raum lohnt sich die Anfahrt. Jetzt, kurz vor Weihnachten, öffnet sich der Vorhang für ein Märchen, das auch Kinder verstehen können, obschon es einen überaus vertrackten doppelten Boden hat. Es stammt von Alexander Puschkin und wird hier gespielt mit der Musik, die Dmitri Schostakowitsch zu einem Zeichentrickfilm über ebendiesen Stoff geschrieben hat. In „Zum Teufel“ geht es um einen bauernschlauen Riesen. Er ist so blöde, dass er für einen raffgierigen Popen auch ohne Entlohnung schuftet, solange er ihm dafür einmal im Jahr drei Nasenstüber versetzen darf. Diesen strammen Held der Arbeit schickt der Pope in die Hölle, um dort das Geld zu holen, das der Teufel ihm angeblich schuldet. Stur marschiert der Knecht los, überwindet den Todesfluss und haut den Teufel samt Großmutter – buchstäblich – in die Pfanne, kehrt mit dem Geld zurück und heiratet die Popentochter.

Und wenn sie nicht gestorben sind, leben sie noch heute. Der Akkordeonist Heiner Frauendorf hat Schostakowitschs Filmmusik so ingeniös für sein Instrument eingerichtet, dass die unter der Oberfläche lauernde Satire auf die stalinistische Mythologie des Arbeiterhelden noch immer hörbar ist. Die ideologisch verordnete Volkstümlichkeit von Liedern und Tänzen klingt gerade in der Akkordeonversion so absurd schrill wie ständiges Hohngelächter. Sie macht es den Darstellern auf der Bühne leicht, den bösen Witz des Märchens auszuspielen. Was ihnen an Handwerk und Stimme fehlt, machen sie durch ihre vollkommen unprätentiöse, ehrliche Spielfreude wett. Wieder wird das uralte Geheimnis des Theaters spürbar, die Verzauberung durch bunte Kulissen und Kostüme, das Sprechen und Singen von Rollen, die uns verwandeln und uns Dinge sagen lassen, die wir sonst nie sagen könnten.

Keine Sekunde Langeweile kommt auf, dann fällt der Wundervorhang. Seit zehn Jahren, so steht es im Treppenhaus, wird hier Theater gespielt. Viel besser sogar als an anderen, berühmteren Orten. Das merkt man daran, dass es im Kopf weitergeht. Helden der Arbeit sind wir ja alle, und der Gedanke, wie absurd das doch ist, bleibt hängen.

NIKLAUS HABLÜTZEL

Schlossplatztheater Köpenick, Alt-Köpenick 31, Nächste Aufführungen: 9., 15. & 16.12, jew. 20 h, 10.&17.12., jew. 10 h