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Archiv-Artikel

SPD deckt Polizeiübergriffe

Nach Sichtung von Polizeivideos der Anti-Nazi-Demo halten SPD und CDU die Gewaltvorwürfe gegen die Polizei für gegenstandslos. Demo-Organisatoren sind empört. Grüne: Von Aufklärung keine Spur

von Armin Simon

„Gute Arbeit geleistet“ habe die Polizei bei der Anti-Nazi-Demo am 4. November in Gröpelingen. Dieses Lob sprach der innenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Hermann Kleen, den Beamten jetzt nach einer Sichtung von Polizeivideos aus. Auf den Aufnahmen, die Ende vergangener Woche der Innendeputation vorgespielt wurden, habe er „keine Polizeiübergriffe erkannt“, sagte er der taz. Das Thema sei damit umfangreich aufgeklärt und vom Tisch: „Die Vorwürfe, es habe Polizeiübergriffe gegeben, haben sich nicht erhärtet.“ Bei den OrganisatorInnen der Demo und den Grünen stieß diese Darstellung auf heftigen Protest. „SPD und CDU haben in der Innendeputation ihre Kontrollfunktion nicht wahrgenommen“, kritisierte Raimund Gaebelein, Sprecher des Bündnisses gegen Rechts. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft hat vor wenigen Tagen ein weiteres Polizeiopfer Anzeige erstattet.

Kleen verwies insbesondere auf die „Durchbruchsituation“ an der Grasberger Straße. Dort hatte zunächst eine kleinere Gruppe DemonstrantInnen an der Seite die lockere Polizeikette überwunden, anschließend zogen sich die Uniformierten zurück und ließen etwa 1.500 Menschen ungehindert passieren. Kleen zufolge sind „bei und nach dem Durchbruch“ PolizeibeamtInnen „in für sie sehr bedrohliche Situationen versetzt worden, wo sie sich mit Pfefferspray wehren mussten“ – ein gerechtfertigter Einsatz also.

Grünen-Innenpolitiker Matthias Güldner stellt das ganz anders dar. Zwar sei unstrittig, dass die DemonstrantInnen an der Grasberger Straße unerlaubterweise die vom Verwaltungsgericht gesetzte „Demarkationslinie“ überschritten hätten. Dass die DemonstrantInnen dabei aber, wie Polizeieinsatzleiter Stefan Kiprowski die Situation schilderte, „durchgebrochen“ seien und eine Hundertschaft der bayerischen Polizei komplett überrannt hätten, dafür liefere selbst das Bildmaterial der Polizei „keine Anhaltspunkte“. Im Gegenteil. „Man sieht da, dass das nicht stimmt“, sagte Güldner. Der Vorwurf angeblicher „Brutalität“ der DemonstrantInnen „widerlegt sich durch die eigenen Videos der Polizei“.

Das Verhalten von DemonstrantInnen wie Polizeikräften wertet Güldner als „überwiegend friedlich“. Gewalttätigkeiten müssten verfolgt werden – auch, wenn die Polizei sie begangen habe. Konkret listete er drei Vorfälle auf: Die Verprügelung eines auf dem Boden liegenden Minderjährigen durch PolizeibeamtInnen, die Hundebisse, die „ganz normale friedliche Leute“ erlitten, weil PolizistInnen ihre Hunde ohne Maulkorb mitten durch die – längst als Spontandemo anerkannte und also versammlungsrechtlich geschützte – Menschenmenge führten, und einen brutalen Kopfgriff gegen einen Demonstranten. Die Behörden seien verpflichtet, aus eigenem Antrieb Ermittlungen einzuleiten, betonte Güldner. Im Fall der Verprügelung des Minderjährigen übergab er Polizeieinsatzleiter Kiprowski die Namen mehrerer ZeugInnen.

Was den Kopfgriff angeht, spielte Güldner der Innendeputation die Aufnahme eines Amateurfilmers vor (Video: www.mehr-dazu.de), auf dem zu erkennen ist, wie PolizeibeamtInnen einen am Boden liegenden Demonstranten am Kopf packen und diesen heftig zur Seite drehen – laut Gaebelein ein potenziell tödlicher „verbotener Genickdrehhebel“. Kleen sagte dazu, der Demonstrant habe „passiven Widerstand gegen das Davontragen“ geleistet. Weder er noch die anderen SPD-Innendeputierten hätten das Verhalten der PolizeibeamtInnen beanstandet: „Keiner hatte den Eindruck, dass da in irgendeiner Weise ein Würgegriff angewendet wird.“