: Kein guter Kumpel
VON KLAUS JANSENUND HOLGER PAULER
Es gibt kein Foto von ihm mit Bergarbeiter-Montur und dreckigem Gesicht. Unter Tage ist CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla seit 15 Jahren nicht mehr gewesen. Doch im März diesen Jahres wäre er beinahe rückfallig geworden. In Bottrop stellte sich Pofalla als erster Mann aus der Merkel-Truppe den Betriebsräten der Deutschen Steinkohle AG. Es wäre „fatal, den Steinkohlebergbau auslaufen zu lassen“, rief Pofalla den Kumpel zu. Die Zuhörer trauten ihren Ohren kaum.
Wenn die Spitzen der Bundesregierung heute mit der RAG über den Ausstieg aus der Steinkohleförderung beraten, wird Ronald Pofalla fehlen. „Herr Pofalla äußert sich nicht mehr zu Kohlefragen. Er nimmt an den Verhandlungen nicht teil“, sagt eine CDU-Sprecherin. Im Hintergrund wird er trotzdem mitwirken: Denn eigentlich ist Ronald Pofalla im Streit zwischen Union und SPD der wichtigste Mann. Er ist der wandelnde Kohlekompromiss. Wie seine Partei ist er innerlich gespalten: Hin- und hergerissen zwischen folkloristisch angehauchter Solidarität mit den Bergleuten und der Erkenntnis, sich die jährlich über zwei Milliarden Euro teuren Subventionen für die Steinkohleförderung nicht mehr leisten zu können. „Innerlich will er den Ausstieg“, sagt ein Parteifreund aus dem CDU-Landesvorstand in NRW. „Er weiß nur, dass das in der großen Koalition nicht zu machen ist.“
Bottrop, im März. Ronald Pofalla erhält nur verhaltenen Applaus für sein Bekenntnis zur Steinkohle. So recht trauen möchten ihm die Bergarbeiter nicht. Er, ein Christdemokrat, hat ihnen zwar entgegen der Parteilinie eine Zukunft in Aussicht gestellt. Ein Kumpel ist er deswegen aber noch lange nicht. Der Rechtsanwalt Pofalla trägt feine Anzüge und in seiner Freizeit Polohemden. Die obligatorische Grubenfahrt ist mit ihm nicht zu machen: Während SPD-Politiker regelmäßig in die Schächte des Ruhrgebiets einfahren, macht er sich die Hornbrille nicht schmutzig. „Er ist ein Strippenzieher, kein Sympathieträger“, heißt es aus der Partei.
Pofalla, geboren in Kleve am Niederrhein, ist nie auf dem Ticket seiner Heimat-CDU gefahren. Als „junger wilder“ Bundestagsabgeordneter machte schon zu Beginn der 90er Jahre in der Hauptstadt Bonn Karriere. Pofalla galt als unideologisch, agierte oftmals gegen die herrschende Parteimeinung – und wurde dennoch gefördert von Helmut Kohl. Den CDU-Patriarchen kannte er als Klient seines Arbeitgebers, des Essener Promi-Anwalts Stephan Holthoff-Pförtner. „Das hat ihm in Bonn sehr geholfen“, sagt ein Wegbegleiter.
Pofallas Aufstieg fand in Bonn statt. Zuhause am Niederrhein, wo die CDU wie die SPD als Kohlepartei auftrat, war er ein Außenseiter. Während Pofalla Jura studierte, gingen die katholischen Arbeitnehmer an Rhein und Ruhr sonntags in die Kirche und montags zur Arbeit auf den Pütt. Etablierte Christdemokraten wie der Bergbaugewerkschafter Fritz Kollorz hielten ihre schwarzen Hände über die Milliardensubventionen für die Zechen. Bei der Barbarafeier tranken Christ- und Sozialdemokraten auf den Kohlekompromiss – während um sie herum Straßen und Häuser von Bergsenkungen zerstört wurden.
Mit der Einigkeit zwischen Volksparteien und Kohlelobby machte erst Pofalla Schluss. Im Dezember 2001 veröffentlichte der damalige Bezirksvorsitzende des CDU-Bezirks Niederrhein ein Strategiepapier, in dem der Ausstieg aus dem Steinkohlebergbau bis zum Jahr 2010 gefordert wurde. „Nur in diesen Dimensionen lassen sich finanzielle Handlungsspielräume für Nordrhein-Westfalen zurückgewinnen“, heißt es darin. Der Zeitpunkt für derartige Überlegungen war geschickt gewählt. Im selben Monat wurde mit dem Bergwerk Niederberg die vorletzte Zeche am linken Niederrhein geschlossen – in Pofallas Bezirk fördert seitdem nur noch das Bergwerk West in Kamp-Lintfort. Statt 10.000 fahren nur noch knapp 5.000 Kohlekumpel unter Tage.
Was Pofalla damals versprach, war nicht weniger als eine Revolution in der Kohlepolitik der CDU. „Ein Meilenstein“, lobt noch heute Klaus Friedrichs. Der Rechtsanwalt aus Voerde vertritt an der Spitze einer Bürgerinitiative die Interessen der Bergbau-Gegner in Nordrhein-Westfalen. „Pofallas Papier war uns damals sehr wichtig“, sagt er.
Seinen frisch gewonnenen Ruf als Modernisierer nutzte Pofalla zum Aufstieg in der NRW-CDU. Im Tandem mit dem damals neu gewählten Landesparteichef Jürgen Rüttgers organisierte er Mehrheiten für einen Ausstieg aus dem Subventionsbergbau und entmachtete die Kohlefraktion in der CDU. Einflussreiche Abgeordnete wie Fritz Kollorz und Hermann-Josef Arentz stolperten über nicht angemeldete Nebenjobs. Für sie rückten junge Abgeordnete nach, die mit Bergmannskapellen nicht mehr viel anfangen können. Das Pofalla-Papier wurde zum Grundgesetz der Kohlepolitik der nordrhein-westfälischen CDU – und ein Mosaikstein auf dem Weg zum Machtwechsel an Rhein und Ruhr.
„Rüttgers und Pofalla konnten eigentlich immer gut miteinander“, heißt es aus der NRW-CDU. Doch in den vergangenen Jahren haben sich die Wege der beiden getrennnt. Während Rüttgers in Düsseldorf gemeinsam mit seinen Koalitionspartnern von der FDP am Ausstieg aus der Förderung bastelt, muss Pofalla für die große Koalition in Berlin sprechen. So kommt es, dass er sich auf Vernastaltungen wie in Bottrop anhört, als habe er ein rotes und kein schwarzes Parteibuch.
In Düsseldorf trauen die Kohlegegner Pofalla jetzt nicht mehr. „Er ist ein unsicherer Kantonist. Keine Seite kann sich auf ihn verlassen“, sagt der stellvertretende Chef der grünen Landtagsfraktion, Reiner Priggen. In der nordrhein-westfälischen CDU sehen sie ihren einstigen Modernisierer nun gar als möglichen Komplizen der Kohlelobbyisten aus der SPD. Vor allem im Umfeld von Jürgen Rüttgers wird Pofallas Auftreten immer kritischer beäugt: „Ich habe nicht das Gefühl, dass er Konfrontationen aus dem Weg geht“, sagt Parteivorstand. Zuletzt rasselten der Ministerpräsident und der Generalsekretär auch noch im Streit um die Verlängerung des Arbeitslosengeld I aneinander.
Ronald Pofalla ist jetzt 46 Jahre alt. Er ist einer der wichtigsten Männer in der CDU. Ein Kompromiss zur Steinkohle wäre sein Meisterstück. Und dann? „Dann wäre er der mächstigste Konservative aus NRW“, sagt ein Parteifreund. „Das ist sein Ziel.“