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Archiv-Artikel

„Da braucht man schon ein schönes Licht“

SCHMERZ Die Kabarettistin Sissi Perlinger ist ein Ausbund an Humor, guter Laune und Unterhaltsamkeit – persönlich durchlitt sie grausame Jahre voller Liebeskummer. Im sonntaz-Gespräch erklärt sie, wie man das alles aushält, ohne verrückt zu werden

Sissi Perlinger

■  Die Frau: Perlinger, 1963 geboren, braucht die Bühne wie andere die Luft zum Atmen. Die Trägerin des Grimme-Preises hat Schauspiel studiert in München, Wien, New York und Los Angeles, eine Gesangsausbildung in Klassik, Jazz und Pop und eine Tanzausbildung in klassischem Ballett und Jazz. Seit 1986 tourt sie mit eigenen kabarettistischen Bühnenprogrammen durch die Republik, macht Filme und schreibt Bücher.

■  Die neue Show: „Gönn dir ’ne Auszeit“ will alle Gestressten animieren, mal ihr Handy auszuschalten, den Fernseher auszumachen und, wenn es geht, nach Indien zu fahren. In Indien verbringt Perlinger die Winter. Um Aufzutanken und sich weiterzubilden. Gerade lernt sie dort Gitarre. Im Frühling und Sommer tourt sie dann mit ihrer Show durch die Republik.

■  Das neue Buch: „Auszeit! – Der Perlinger-Weg ins Glück“ ist ein Ratgeber für alle, die einmal Liebeskummer oder Tinnitus hatten. Und es ermutigt die, die Angst vor der Couch des Therapeuten haben, sich nicht länger zu zieren: Die Wahrheit schade nicht.

INTERVIEW WALTRAUD SCHWAB FOTOS STEFAN PANGRITZ

Ganz in raubtiergemusterte Kleidung gehüllt kommt Sissi Perlinger zum Interview ins Hotel La Pergola in Lörrach. Nach einer stundenlangen Fahrt im Auto wirkt sie erschöpft und aufgekratzt. Noch am gleichen Abend wird sie im angrenzenden Burghof ihre Show „Gönn dir ’ne Auszeit“ geben.

taz: Frau Perlinger, gleich kommt der Fotograf.

Sissi Perlinger: Oh Gott, das Interview ist mit Fotograf, das habe ich gar nicht mitgekriegt. Ich kränkle und bin seit zwei Tagen auf Halbmast. Ist das jetzt ganz wichtig, dass es mit Fotograf ist? Dann muss ich mich zuerst zurecht machen.

So, wie Sie jetzt sind, können Sie nicht fotografiert werden?

Nicht so gern. Ich bin ungeschminkt und fern der Heimat, durch den Wind und mit Augenringen, da braucht man schon ein sehr, sehr schönes Licht.

Sind Sie jetzt ungeschmickt?

Ich hab nur ein bisschen abgedeckt und die Wimpern getuscht. Aber egal, fangen wir mal an.

Sie haben ein Buch geschrieben, „Auszeit – der Perlinger-Weg ins Glück“, heißt es. Darin erfährt man, dass Ihr Weg zum Glück mit Liebeskummer begann.

Ja, ja, ich kenne das Loch, in das man fällt, wenn man von dem Mann verlassen wird, von dem man seinen eigenen Wert abhängig gemacht hat und auf den man gerade alles projiziert hat: Beschützer, Versorger.

In diese Falle sind Sie getappt?

Ich hab mich selber gewundert. Einen Versorger habe ich ja nicht gebraucht, weil ich mein eigenes Geld verdiene. Und da der Säbelzahntiger ausgestorben ist, brauchte ich auch keinen Beschützer mehr. Trotzdem sind das uralte Mechanismen. Ich glaube, dass wir Frauen so viele Jahrtausende abhängig waren von wehrhaften Männern, dass wir bis heute Todesangsthormone ausschütten, wenn wir verlassen werden. Zumindest hat es sich für mich so angefühlt. Dass ich so dermaßen in ein Loch falle, das war mir ’ne Lehre.

Eine Lehre für was?

Es war mir klar, sollte ich jetzt in die nächste Beziehung hüpfen, wird das gleich wieder der Beginn der nächsten Katastrophe. Ich kenne den Mechanismus inzwischen: Am Anfang denkst du, wow, alles wird gut. Dann kommen die gleichen Problemchen, und man hat immer mehr Streit, lebt sich auseinander, Vorlauftaste drücken, brrrrröorrröorrüp, und irgendwann ist dann Schluss – oh Gott, oh Gott. Und schon kommt der Nächste, und, ach wie toll, und schon ist man wieder im Hamsterrad.

Und die Krise hat geholfen, dass Sie nicht mehr in diese Falle tappten?

Ich wurde ja nicht nur verlassen, ich habe auch diesen Tinnitus gekriegt. Du wachst auf, weil jemand Sturm klingelt, iiijiiiijiiiijii, und du denkst noch, kann das denn niemand abstellen. Dann kapierst du: Es klingelt in dir. Als ich in diese Riesenkrise kam, da hat meine innere Stimme ganz deutlich gesagt: Jetzt musst du lernen, mit dir alleine klarzukommen. So kann es nicht weitergehen.

Sie waren am Boden?

Ja, sicher. Ich habe ein Jahr lang nicht geschlafen, auch weil der Tinnitus so laut war. Ich bin neben mir gestanden, habe Todesängste gehabt, fürchtete, nie mehr glücklich werden zu können, nie mehr schlafen zu können.

Sie haben wirklich ein Jahr lang nicht geschlafen?

Wenn ich eingeschlafen bin, bin ich sofort wieder hochgeschreckt. Ich habe ein Jahr lang quasi in der Tiefenentspannung im autogenen Training geruht, nicht im Tiefschlaf. Mein Lehrer hat mir gesagt, man muss nicht schlafen. Es reicht, wenn du im Dunkeln liegst und ruhst. Das habe ich eisenhart durchgezogen. Ich habe im Bett gelegen und immer diese autogene Trainingskassette gehört: Mein rechter Arm ist warm, mein linker Arm ist warm. So habe ich diese Tiefenentspannung gelernt, mit der ich den Tinnitus nach drei Jahren Gott sei Dank los wurde. Aber wenn ich eingeschlafen bin, bin ich immer gefallen, endlos gefallen.

Wie wurden Sie verlassen?

Ich bin dahinter gekommen, dass er mich betrogen hat. Mein erster Reflex: Boah, was ist das für eine Unverschämtheit. So geht es ja gar nicht. Und dann hab ich das eigentlich beendet.

Im Buch liest es sich so, als hätte er das beendet.

Hat er dann auch. Aber der erste Impuls ging von mir aus: So das war’s. Wie kannst du nur? Aber ich habe dann gemerkt, dass ich bereit gewesen wäre, ihm zu verzeihen, und dass ich ihn wahnsinnig gebraucht hätte, wegen dem Tinnitus und weil ich gerade dabei war, die größte Arbeit meines Lebens zu machen, nämlich 13 Folgen „Sissi, die Perlinger Show“ für die ARD. Ich sollte die am Stück drehen, und das ist ein Dreivierteljahr lang Tag und Nacht Arbeit. Deshalb bin ich zurückgerudert und habe gesagt, okay, du hast mich betrogen, aber ich kann damit leben, bleib bei mir, ich brauche dich, ich will wieder unter deinen Flügel. Da hat er gesagt: Ich will nicht mehr, meine Flügel sind lahm … – oh, warten Sie, ich muss schnell meinen Freund anrufen.

Sie ruft ihren jetzigen Freund an: „Süßer, ich hab hier was zu essen gekriegt, du brauchst mir jetzt nichts bringen, tschau, bis nachher.“

Sind Sie Ihrem Ex hinterhergelaufen?

Ich bin echt in die Leere gefallen. Aber er hat mich sanft verabschiedet. Wir waren auch gemeinsam in Therapie. Wir wohnten damals zusammen. Bis ich überhaupt Zeit hatte, auszuziehen, verging ein Jahr, in dem ich allerdings so gut wie nie zu Hause war. Für meine damaligen Begriffe war er der perfekte Partner. Wir hatten vier superschöne Jahre. Mir hat es einfach meinen gesamten Boden unter den Füßen weggezogen. Das war mein Zuhause, mein Mann, mein Büro war in dem Haus. Sein Sekretär war auch mein Sekretär. Wir waren so verwoben.

Der Fotograf kommt.

Sind Sie der Fotograf? Ich bin ein wenig in Sorge, ich bin nicht leicht zu fotografieren. Also, ich muss mich zuerst schminken, und kann ich die Fotos hinterher sehen? Wahrscheinlich habe ich nicht richtig in meinen Kalender geguckt, sonst hätte ich mich zurechtgemacht. Das ist für mich desaströs, weil einen Fototermin muss man vorbereiten. Da muss man wissen, dass man den hat, und muss sich entsprechend schminken, entsprechend anziehen. Aber das nützt uns jetzt gar nichts. Da müssen wir einfach jetzt was draus machen.

Der Fotograf: Von mir aus gesehen wäre ein natürliches Bild gut. Wir wollen doch beides: Bilder aus Ihrer Show, wo Sie die inszenierte Sissi Perlinger sind. Und Bilder, wo Sie die alltägliche Sissi Perlinger sind. Aber so in Ihrem Tigermantel, das ist doch schön.

Sie meinen eine erkältete Frau Perlinger sei schön? Ja, wenn man ein schönes Licht hätte, wäre alles schön.

Da drüben scheint die Sonne durchs Fenster mit den leicht getönten Scheiben. Gibt das nicht warmes Licht?

Also, das Licht ist schon schöner, aber zu direkt von vorne.

Wir ziehen trotzdem ans andere Ende des Restaurants. In der Sonne zieht sich Perlinger ihr raubtierfellgemustertes Kopftuch über die Haare und sagt:

So viel zum Kopftuchverbot.

Sie tragen gern Kopftuch?

Ich fühle mich fast nackt, wenn ich kein Kopftuch habe.

Der Fotograf macht ein paar Bilder, Sissi Perlinger kontrolliert ihr Gesicht im Taschenspiegel.

Sieht es gut aus? Ausgerechnet heute, wo ich so zigfach eingepackt bin, weil ich mit der Erkältung kämpfe. Ich habe jetzt nicht mal eine Bürste dabei. Ich habe jetzt nichts dabei.

Das macht doch nichts.

Das macht doch was, wenn man scheiße auf einem Foto aussieht.

Aber Sie sehen gut aus.

Nein, ich sehe nicht gut aus. Ich bin quasi aus dem Bett gefallen. Kann ich das Bild sehen?

Sie betrachtet das Bild und findet es ganz passabel. „Hm“.

Können wir vielleicht weitermachen? Es braucht doch seine Zeit, bis man in so einem Gespräch warm wird. Wir hatten ja auch ein heikles Thema: Liebeskummer. Sie wurden verlassen, in Ihren Ohren klingelte es, und Sie mussten aus der Wohnung raus.

Und dann passierte noch was: Ich bin in eine hübsche Wohnung gezogen, ich dachte: nur schnell raus. Ich ziehe da also ein, und zwei Tage später lassen die mir eine grüne Plane vor allen meinen Fenstern runter und fangen an, mit Schlagbohrern die Fassade abzumeißeln.

Das hatten die Ihnen nicht gesagt?

Vielleicht hatten sie es sogar gesagt, aber ich habe es nicht richtig wahrgenommen, weil ich neben mir stand in meiner übernächtigten Verzweiflung. Und dann saß ich ein Jahr lang in einer totalen Baustelle mit grünen Planen vor den Fenstern.

Und Sie haben nicht an Selbstmord gedacht?

Nein. Ich glaube, im Märchen ist das dieser Moment, wo man ganz tief fällt und ganz hart arbeiten muss, wie die Goldmarie bei Frau Holle. Das war für mich diese Wohnung. Ich wusste, ich werde da nicht bleiben. Ich hatte nur Kisten und Kästen rumstehen und habe meinen Job durchgezogen und geschaut, dass ich alles, wofür ich einen Vertrag unterschrieben habe, abgearbeitet habe. Es war wie ’ne Prüfung. Im Nachhinein betrachtet war die Zeit sehr wertvoll. Ich habe gelernt, dass man so was überlebt und dass man sich auch helfen lassen kann – ich war in Therapie. Mein Therapeut hat mich gerettet.

In Ihrem Buch ist es eine Therapeutin.

Ja, weil ich die auf der Bühne auch spiele. Ich habe sie Freudina Sorgenfrei genannt. Mein wahrer Therapeut war ein sehr strenger Mann, der mir klaren Wein eingeschenkt hat über ganz viele Dinge, die mir nicht bewusst waren. Mit ihm ging ich ran an die früheste Kindheit, als mein Vater mich verlassen hat. Ich dachte: Pöh, das ist doch so lange her, da bin ich drüber weg, was soll der Quatsch? Er sagte: Ne, ne, du fühlst dich als kleines Kind erst mal schuldig, wenn dein Vater geht. Du denkst, du hast nicht genügt, bist nicht gut, nicht liebenswert genug.

Erklären Sie sich so auch, warum Sie immer wie eine Verrückte gearbeitet haben?

Ja klar, ich dachte immer, ich kann doch nicht nur auf der Bühne stehen und ein Lied singen, obwohl ich dreieinhalb Oktaven Stimmumfang habe und eine wirklich gute Sängerin bin. Ich denke dann, ich muss dazu auf dem Kopf stehen, mit den Ohren wackeln und noch fünf Pointen bringen, das alles in einem Riesenkostüm verbunden mit einer Choreografie und tollen Lichteffekten. Ich darf keine Sekunde langweilig sein, und die Leute müssen ununterbrochen lachen. Ich kann auch nicht einfach nur eine ernste Schauspielerin sein, selbst wenn ich dafür Preise kriege. Das genügt nicht. Ich muss nebenher noch wahnsinnig viel machen, und dann wurde irgendwann alles zu viel.

War der Tinnitus der Warnschuss?

Sicher. Der hat gesagt: Hallo, du übertreibst es maßlos. Die ganzen Angebote, die ich bekam, waren ja auch reizvoll. Ach, noch ein Film hier und eine Show da und jetzt ein Buch schreiben und eine CD aufnehmen und eine Moderation und zack, zack! Ich habe das alles nicht für Geld und Ruhm gemacht. Ich habe gedacht: Ach, ’ne Herausforderung, da lerne ich was. Und irgendwo ganz tief drin verschüttet ist wirklich so diese Gefühl: Wenn ich das dann gemacht habe, dann werde ich glücklich sein, weil es doch meine Berufung ist. Aber so funktioniert es nicht.

Geht das überhaupt, solche alten Muster abzulegen?

Es ist ein Lernprozess, den man nur macht, wenn man wirklich leidet und sich nicht wieder schnell in die nächste Beziehung flüchtet. Ich habe wirklich intuitiv gewusst, dass ich lernen muss, für mich alleine zu leben und glücklich sein zu können. Ich habe jetzt auch wieder einen Partner, und ich bin sehr glücklich mit ihm, aber ich bin nicht bedürftig in diese Partnerschaft reingestolpert und habe nicht möglichst schnell wieder dieses fehlende Bein drangeschraubt, sondern mir mein eigenes zweites Bein wachsen lassen.

Wie lange hat es gedauert?

Ein paar Jahre. Ich habe immer gedacht: Jetzt ist es vorbei. Wenn der Frühling kommt, ist es vorbei. Im Dezember an meinem Geburtstag wird es vorbei sein. Aber bis ich wieder richtig auf den Beinen war, bis ich wieder fröhlich war, wieder schlafen konnte, das hat alles in allem drei Jahre gedauert. Ein Jahr war die Hölle, das zweite, hm, im dritten gab es so Rückfälle. Ich fahre Auto, und dann kommt plötzlich „Nothing compares to you“ im Radio, und ich muss sofort tränenblind ganz schnell rechts ranfahren und mich erst mal ausheulen – whähäha. Nach drei Jahren merkte ich, ich fange an, stolz auf das zu sein, was ich geschafft habe. Und danach fing eine wirklich sehr gute Zeit an, wo ich fand, Single sein ist das Größte, Single sein ist der Wahnsinn. Es war, wie wenn ich ein neues Land entdecken würde und allen anderen Frauen zurufen wollte: Hey, habt keine Angst, hier ist es super. Man muss sich nur vernetzen mit vielen Freunden, und man darf sich nicht auf Flirts einlassen.

Warum nicht?

Dann wird man rückfällig. Ein einziges Mal habe ich es ausprobiert. Danach war meine innere Harmonie wie weggeblasen, und ich bin in die alten Muster gefallen. Der Typ war nicht so, dass ich dachte, das ist der neue Partner. Ich habe mir das nur einmal erlaubt und gemerkt, da schieß ich mir doch lieber ins Bein. Was da für eine Unruhe entstand. Die alten Ängste und Sehnsüchte kamen wieder hoch. Du schüttest als Frau ja unglaublich viel dieses Bindungshormons Oxytocin aus, und du willst bei dem sein, obwohl er nicht der Richtige ist. Als ich das wieder aus meinem System raus hatte, habe ich mir geschworen: Nie mehr.

Können Sie heute über das, was damals war, lachen?

Natürlich. Meine letzte Comedy-Show „Singledämmerung“ erzählt genau diese Geschichte vom Elend ins Glück. Fürs Publikum ist es sowieso immer am schönsten, wenn der Hauptdarsteller volle Kanne an die Wand fährt.

Ist es im Vergleich zu anderen Kabarettisten Ihr Erfolgsrezept, dass Sie über sich lachen?

Ich weiß nicht, was die anderen machen. Ich möchte über mich sprechen, und ich bleibe sehr bei mir. Ich erzähle meine persönliche Geschichte, bin auf der Bühne selber der Depp und habe kein Problem damit, wenn die Leute über meine Dummheiten lachen.

Wie reagiert das Publikum, wenn Sie doch einmal einen Witz über Männer machen?

Ich habe die Erfahrung gemacht: Mach einen Witz über Männer, und du bist sofort männerfeindlich. Mach zehn Witze über Frauen, und kein Mensch regt sich auf.

Woran liegt’s?

Humor ist ’ne extrem hierarchische Angelegenheit. Männer nutzen Humor als Balzwerkzeug. Wenn du als Mann viele Lacher auf deiner Seite hast, hast du auch viele Frauen auf deiner Seite. Wenn du als Frau viele Lacher platzierst, dann hast du viele Männer brüskiert. Man sollte als Frau schon das Alphatier sein in ’ner Runde, dann kann man auch ’nen Witz riskieren.

Sie sind vom Aussehen her schon der alphatierhafte Pfau.

War ich immer.

Wollen Sie gesehen werden?

Nein. In Goa oder auf Ibiza laufen ganz viele Leute so rum wie ich, und ich empfinde es als Wohltat, wenn ich nicht aus der Menge herausrage, sondern geradezu spießig wirke. Ich leg nicht so viel Wert aufs Aussehen. Ich mag nicht Handtäschchen und Röckchen und Stöckelschühchen. Ich mag’s elastisch, praktisch, pflegeleicht und warm. Und ich mag’s halt gern in Leo. Das bin einfach ich. Ich mach das nicht, um aufzufallen. Im Gegenteil, eigentlich ist Leo eine Tarnfarbe. Im Urwald ist es eine Tarnfarbe.

Sind Sie jetzt im Urwald?

Leo ist mein Archetyp. Ich fühle mich verkleidet, wenn ich was anderes anhabe. Wenn eine Kostümbildnerin mir was Quergestreiftes gibt, fühlt es sich für mich so an, als hätte man eine Katze gegen den Strich gebürstet. Leo ist meine zweite Haut. Ich bin für mich der normalste Mensch, und alle anderen spinnen.

Sind Sie exaltiert?

Nein, das ist Ihre Wahrnehmung. Ich kann null verstehen, was Menschen mit sich machen lassen. Zum Beispiel mit der Mode gehen – hallo, wie verrückt ist das denn? Ständig einen anderen Schmarren kaufen, der einem nicht steht, nicht praktisch ist, der viel kostet, wo man das Geld für was viel Wichtigeres verwendet könnte als für so einen Mist. Aber das ist normal in unserer Welt. Ich finde das nicht normal.

In Ihrem Buch finden Sie auch andere Sachen nicht normal: Dummheit, Gier, Gewalt, Missbrauch, Atomkraft.

Ja, aber auf der anderen Seite glaube ich, dass wir nicht weiterkommen, wenn wir nur nörgeln. Jeder hat die Möglichkeit, sein Leben anders zu gestalten als der Mainstream. Ich kann den Fernseher ausmachen, ich kann mich kleiden, wie ich will. Wenn ich mein Leben bewusst in die Hand nehmen, kann ich mich vor bösen Dingen auch schützen, kann die Umwelt schützen und die Seele heil über die Runden bringen. Das ist, was ich mit Auszeit meine. Ich bin keine Politikerin, ich kann keine Gesetze erlassen. Ich bin Künstlerin. Ich kann nur auf die Bühne gehen und die Fantasie der Menschen anregen. Humor ist die intelligenteste Art, mit Verzweiflung umzugehen. Ein Mensch, der nicht lacht und nur frustriert ist, wird noch viel weniger politisch erreichen.

Der Fotograf meldet sich, er wäre jetzt fertig. Sissi Perlinger hatte ihn eine Weile vergessen. Jetzt möchte sie die Fotos sehen.

Eine letzte Frage noch, Frau Perlinger. Wenn Sie drei Wünsche frei hätten …?

… oh Gott, diese Frage. Dass ich keinen Liebeskummer mehr habe und mit einer glücklichen Beziehung alt werden kann, das würde ich mir sehr wünschen. Und dass ich bis ich ins hohe Alter auf der Bühne was zu sagen haben. Das ist das größte Glück für mich.

Und der dritte Wunsch?

Ähm – Weltfrieden.

■  Waltraud Schwab, sonntaz-Reporterin, versteht die Weltliteratur besser, seit sie Liebeskummer hatte

 Stefan Pangritz, Fotograf, hat die Liebe nach Lörrach verschlagen, wo er jetzt den Kummer hat