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Archiv-Artikel

„Das sind häufig sehr junge Mädchen“

PRAXIS Die Polizistin Erika Krause-Schöne befürwortet die geplanten Vorschriften

Erika Krause-Schöne

■ 47, ist Bundespolizistin und Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft „Aktiv gegen Menschenhandel“ bei der Gewerkschaft der Polizei.

taz: Frau Krause-Schöne, die Gewerkschaft der Polizei unterstützt die Forderung der Bundesregierung nach der sogenannter Erlaubnispflicht für Prostitutionsstätten. Bordelle, Wohnungen von Huren und Escort-Services sollen künftig behandelt werden wie Currywurstbuden?

Erika Krause-Schöne: Warum nicht? Wenn jede Gaststätte hohe hygienische, bauliche und andere Vorgaben erfüllen muss, dann sollte das für einen Prostitutionsstättenbetreiber erst recht gelten. Wer wegen schwerer Straftaten wie mehrfacher Körperverletzung vorbestraft ist, dürfte kein Bordell eröffnen.

Das kriegt man mit dem gültigen Prostitutionsgesetz nicht in den Griff?

Leider nicht. Außerdem hat jedes Bundesland und jede Kommune eigene Ausführungsbestimmungen für die Kontrolle von Prostitutionsstätten. Wir wollen einen bundeseinheitlichen Rahmen.

Mit der die Polizei jederzeit und unangekündigt in Prostitutionsstätten eindringen kann?

Es muss in jedem Fall eine konkrete Gefahr geben. Es geht nicht darum, legale Prostitutionsstätten zu kriminalisieren und diese grundlos mit Hundertschaften zu stürmen. Damit wäre niemandem geholfen, schon gar nicht den Zwangsprostituierten. Die würden dadurch nur zusätzlich verängstigt. In der Regel kommen sie aus Ländern, in denen die Polizei nicht immer gemäß des Gesetzes agiert.

Wie läuft so eine Razzia ab?

Das kommt auf den Anlass und die Situation an. Meistens gehen erfahrene Beamte in Prostitutionsstätten rein, häufig in Zivil. Nicht jeder Polizist kann einfach so in ein Bordell marschieren.

Was passiert, wenn die Polizei Zwangsprostituierte findet?

Sie werden aus den Bordellen rausgeholt und zu Beratungsstellen und in Zufluchtswohnungen gebracht. Weitere polizeiliche Ermittlungen erfolgen, um so auch an die Hintermänner zu kommen.

Wenn Zwangsprostituierte oder andere Opfer von Menschenhandel gegen ihre Peiniger aussagen, genießen sie für die Zeit des juristischen Verfahrens Opferschutz. Danach werden sie fallen gelassen.

Die entsprechende EU-Richtlinie von 2013, die den Opferschutz verstärkt in den Fokus rückt, hat Deutschland leider immer noch nicht umgesetzt.

Woran erkennt die Polizei eine Zwangsprostituierte?

Die Frauen haben meistens keine oder gefälsche Papiere. Mal sind sie sechs Wochen an einem Ort, dann wieder länger woanders, vielfach auch im Ausland.

Sollten Freier bestraft werden?

Eine Freierbestrafung, wie das in Schweden der Fall ist, lehnen wir ab. Die führt nur dazu, dass die Prostituierten in die Illegalität getrieben werden und wir nie an die Hintermänner von Menschenhandel rankommen. Erfahrungen aus Italien zeigen, dass die Freier selber bei der Polizei Fälle von Zwangsprostitution melden.

Plädieren Sie für ein Mindestalter von Prostituierten?

Wir halten 21 Jahre für angemessen. Es gibt auch Zwangsprostituierte, die aus Deutschland kommen. Das sind häufig sehr junge Mädchen, die in einen Zuhälter oder Menschenhändler verliebt sind und gar nicht merken, wie sie sexuell ausgebeutet werden.

INTERVIEW: SIMONE SCHMOLLACK