Pole der Fantasterei

Auch das vierte Spiel unter Christoph Daums Leitung misslingt dem 1. FC Köln. Erstligist Eintracht Frankfurt zieht nach einem 3:1-Sieg in der Verlängerung ins Viertelfinale des DFB-Pokals ein

AUS FRANKFURT FRANK HELLMANN

Das Fußball-Jahr 2006 in Deutschland ist missraten. Zumindest aus Sicht von Christoph Daum. Die letzte Ohrfeige vor den Feiertagen setzte es für ihn im DFB-Pokal-Achtelfinale – 1:3 nach Verlängerung bei Eintracht Frankfurt.

Der neue Mann auf dem Chefsessel des 1. FC Köln hat damit bislang sportlich rein gar nichts bewirkt. Wenigstens wollte sich der Vorturner an diesem ungemütlichen Abend nicht gleich davonstehlen. Nach Schlusspfiff rief der Trainer sein Team mit zackigen Handbewegungen zusammen. „Kommt mit mir in die Kurve!“, signalisierte Daum den Seinen, die artig folgten. Sie machte dann ein bisschen beschwichtigend winke, winke für die mitgereisten Fans.

Geholfen hat das nicht allzu viel: Eine Hundertschaft missmutiger FC-Anhänger versuchte noch in der Nacht, sich auf der Autobahnraststätte Altenkirchen gewaltsam Zutritt zu einem Schnellrestaurant zu verschaffen, erst die Polizei beruhigte die Situation. Höchste Zeit, um zur Besinnung zu kommen. Dies wünschte Daum eine halbe Stunde nach dem Spiel in einer Live-Schaltung mit dem ARD-Moderator Gerhard Delling. Der hatte Daum zunächst auf den pöbelnden Uli Hoeneß („Daum ist größenwahnsinnig“) und auf seine Pressekonferenzen im Krankenhaus angesprochen. Hatte der Fastbundestrainer auf die Hoeneß-Nummer noch gelassen reagiert („Ich respektiere die Leistung der Bayern“), sprach er sodann arg unwirsch von „oberflächlichen Fakten“ und „irgendwelchen Klischees“. Konkret antworten wollte Daum nicht. Mit bitterer Miene wünschte er Delling ein frohes Fest.

Daum hatte klargemacht: Ihm geht diese Fragerei auf den Geist. Michael Meier übrigens auch. Den Manager des 1. FC Köln nerven Nachforschungen bezüglich der wundertätigen Wirkung des Messias zusehends. „Was glauben Sie, wann seine Maßnahmen greifen?“, wurde gefragt. „Seien Sie froh“, keifte Meier, „dass ein Trainer wie Christoph Daum wieder in Deutschland und nicht irgendwo in der Türkei arbeitet.“ Die Feststellung, dass der 53-Jährige kurzfristig diesen Zweitligisten nicht nach vorne bringen wird, verbietet sich für Meier. Ebenso die Frage, ob der ganze Personenkult dem Klub wirklich gut tut. „Er hat es schwer. Er ist kein normaler Trainer.“ Basta.

Doch was hat man in Köln geglaubt? Dass der Fokus auf den vermeintlichen Heilsbringer fällt, war vorhersehbar – nicht aber, dass die Mannschaft bislang teilweise wie im Schockzustand über den Rasen irrlichtern würde. Das Pokalspiel sollte, so Daums Wille, Auslöser eines Klimawandels werden. Stattdessen konstatierte er: „Der Frankfurter Sieg geht klar in Ordnung.“

Trotz der kämpferischen Steigerung: In dieser Verfassung hat der Traditionsklub ungeachtet aller Sehnsüchte nichts in der ersten Liga verloren. Daum ahnt dies. „Profifußball bleibt ein Ergebnissport – und da sieht es in den letzten Wochen enttäuschend aus.“ Im Rahmen der Möglichkeiten hätten seine Spieler alles gegeben. Deutlicher hätte er es nicht formulieren können: Her mit neuen Kräften! Wer Daum bei diesen Aussagen beobachtete, musste sich Sorgen machen: Das Flackern der blauen Augen wirkte wie ein Flimmern, bereits jetzt wünscht man dem gestressten Mann eine Pause. So bleibt der Geißbock-Klub eine Großbaustelle. Dem Guru werden für dessen gewünschte „Personalangleichungen“ mehr als 6 Millionen Euro bewilligt. „Es ist nicht die beste Transferperiode“, weiß Meier und kündigt Aktivitäten „im Ausland“ an.

Namen von kroatischen, türkischen oder rumänischen Nationalspielern werden gehandelt. Ob das eine instabile Mannschaft verträgt, ist die andere Frage. Meier: „Man muss alles versuchen, auch wenn es unrealistisch ist.“ Schließlich glaubt das gesamte Umfeld allen Ernstes, 40 und mehr Punkte in einer Halbserie holen zu können. Auch Daum faselte in Frankfurt wieder davon, nach der Winterpause „das Unmögliche noch möglich zu machen“.

Die Fantastereien polarisieren freilich. Eintracht-Präsident Peter Fischer (und Freund von Frankfurts Coach Funkel) konnte sich denn auch eine Spitze gegen den Daum-Kult nicht verkneifen. „Die haben vielleicht den prominenteren Trainer – wir haben den besseren.“