: Schöner rechnen mit Hartz IV
Die Arbeitsverwaltung macht positive Schlagzeilen: Die Zahl der Arbeitslosen in NRW sinkt weiter, fast alle Auszubildenden sind versorgt. Die taz prüft, was hinter den Jubelmeldungen stecktVON NATALIE WIESMANN UND ANDREAS WYPUTTA
„Weniger Arbeitslose im Dezember“
Die Zahl der Arbeitslosen ist von November auf Dezember tatsächlich um 9.730 auf 908.000 gesunken. Verantwortlich ist aber vor allem das milde Wetter. So konnte etwa im Baugewerbe mehr als sonst im Dezembergearbeitet werden. Die anziehende Konjunktur schafft vor allem Jobs in der Dienstleistungsbranche – bei schlecht zahlenden Zeitarbeitsfirmen.
„Arbeitsmarktreform zeigt Wirkung“
Wirkung gezeigt hat vor allem die Ausweitung von Ein-Euro-Jobs um etwa 13.000 Stellen im Jahr 2006. Diese „Zusatzjobs“ enden nach spätestens neun Monaten und führen nur in fünf Prozent der Fälle auf den ersten Arbeitsmarkt – wie die ARGE Dortmund feststellen musste. Trotzdem gelten die aktuell 51.000 Ein-Euro-Jobber nicht als arbeitslos. Sie verschwinden aus der Statistik. Genau wie viele der offiziell „Langzeitarbeitslosen“, die über ein Jahr auf Jobsuche sind und dennoch kein Arbeitslosengeld II erhalten: Nur 26 Prozent bekommen Leistungen nach Hartz IV. Sie gelten als vermögend – oder die Partnerin, der Partner, verdient zu viel.
„Auch 2007 weniger als 1 Million Arbeitslose“
Wer nichts davon haben wird: Langzeitarbeitslose und Ältere auf Jobsuche. „Trotz Konjunktur brauchen wir einen dritten Arbeitsmarkt“, räumt auch Christiane Schönefeld, Chefin der „Regionaldirektion Nordrhein-Westfalen der Bundesagentur für Arbeit“, ein – einen sozialversicherungspflichtigen Job findet nur die Hälfte aller Arbeitslosen. Frauen, die 2006 kaum von der Konjunktur profitiert haben, könnten 2007 dagegen mehr Glück haben: „Die Konjunktur wirkt sich bei Frauen später aus“, lautet Schönefelds Erfahrung.
„Hartz sorgt für mehr Eigeninitiative“
Selbst die Arbeitsverwaltung klagt über „nachlassendes Interesse an der Aufnahme einer Selbstständigkeit“. Grund ist der Wegfall von „Ich-AG“ und Überbrückungsgeld, das derzeit noch von rund 41.000 Ex-Arbeitslosen bezogen wird. Der neue „Gründungszuschuss“ wurde dagegen nur 2.000 Mal bewilligt.
„Eine Lösung für fast alle auf Lehrstellensuche“
Als „versorgt“ gelten auch SchülerInnen in der Warteschleife, aber ohne Ausbildung – genau wie Wehr- oder Zivildienstleistende und PraktikantInnen. Schönefeld gibt zu: „Das ist natürlich schön ausgedrückt. Nur etwa die Hälfte ist in Ausbildung“. Und selbst das stimmt nicht ganz: Mitgezählt werden berufsvorbereitende Maßnahmen wie das „Werkstattjahr“ oder Langzeitpraktika. Eine klassische duale Ausbildung absolvieren nur 40 Prozent der „Spätversorgten“.
„Die Wirtschaft bemüht sich um mehr Lehrstellen“
Zwar verzeichnen die Industrie- und Handelskammern sechs Prozent mehr Ausbildungsverträge. Gleichzeitig stieg die Zahl der Jugendlichen auf Lehrstellensuche durch geburtenstarke Jahrgänge – und die derjenigen, die auf eine Lehrstelle wartend die Schulbank drücken. Der DGB spricht von „weit mehr als 3.000 Altnachtfragern“, die zu den neuen Schulabgängern hinzugekommen sind. Engagiert haben sich vor allem die Bundesagentur und die Landesregierung mit berufsvorbereitenden Maßnahmen und der Schaffung von außerbetrieblichen Ausbildungen.