Adrienne Woltersdorf über OVERSEAS
: Auf ein Steuben-Sandwich!

Angela Merkels Besuch war erst der Anfang: Wie Deutschland Amerika retten wird

Das Jahr ist noch jung in Washington, die japanischen Kirschblüten an der Mall, der Gedenk- und Regierungsmeile, blühen von der Winterwärme verwirrt vor sich hin – nur Angela Merkel schneite vergangene Woche bei George W. Bush vorbei. Er hat ja nicht viel zu lachen zurzeit. Angela kam da wie gerufen. Ein Scherz über Schultermassagen und der Hoffnungsschimmer, beim Angie-Quartett im Nahen Osten mitmischen zu können, gaben dem Herrn des Weißen Hauses so ein Gefühl, dass ihm noch jemand helfen mag. Das ist die richtige Zeit, nun mal ganz objektiv darüber zu informieren, wie Deutschland mit der EU und der G 8 Amerika retten wird.

Zunächst einmal ein paar historische Fakten: Es stimmt nicht, dass in den USA Deutsch beinahe Amtssprache geworden wäre. (Das war nur mal im Parlament von Philadelphia – und nur für diese Stadt – erwogen worden, mehr aber auch nicht, sorry!) Was aber stimmt, ist, dass die amerikanische Unabhängigkeitserklärung 1776 zunächst auf Deutsch und dann erst auf Englisch dem Plebs verkündet wurde, weil, in der Tat, der US-Plebs damals zumeist deutsch war.

Weiter ging es mit unserem kulturellen Beitrag vom Steuben-Sandwich, benannt nach dem preußischen General, der die wilden Truppen der Aufständler auf Vordermann brachte, über den Hamburger und weiter zu dem mit einer Schmelzkäse-und-Majo-Mischung gefüllten warmen „Prätzel“ (dessen Autorenschaft wir daher trotz seiner Abstammung von der Brezel weit von uns weisen sollten). Hinzu kommt noch der angeblich original bayerische „Fudge“, eine horrende Zucker-und-Fett-Mischung in allen Farben, die in den Staaten überall da herumfließt, wo es angeblich zünftig German zugeht. Den werden wir leider nicht mehr los.

Zivilgesellschaftlich stramm zukunftsorientiert stiften Deutsche zudem den „Verein der Söhne der Amerikanischen Revolution“, der landesweit nach „deutschen Männern sucht, deren Vorfahren den Vereinigten Staaten geholfen haben, die Unabhängigkeit zu erlangen“. Und dann bekanntlich unsere Kennerschaft der Indianer, die wir Winnetou verdanken.

Als ich im letzten Sommer in Oklahoma zu Besuch bei einigen Cherokees war, die dort ihre Friedenspfeife rauchten, gestanden sie mir, dass sie zwar furchtlose Kämpfer seien, sie aber zwei Ängste plagen. Nämlich die, dass ihnen der Himmel auf den Kopf fallen könnte und dass im nächsten Sommer wieder eine deutsche Indianertanzgruppe zu Besuch kommen würde. Denn wie mir einer der Häuptlingssöhne erzählte, sei er in seinem sorglosen Indianerleben noch nie so zusammengestaucht worden wie neulich, als diese Kasseler Gruppe ihn anmeckerte, weil er den Cherokee-Sonnentanz völlig falsch tanzen würde.

Die Hessen hatten den Sonnentanz vor drei Jahren bei einem Workshop in Oklahoma gelernt, ihn akribisch repetiert, während die nichtsnutzigen Cherokees sich gern mal was Neues ausdenken, um ein bisschen Abwechselung in ihre Traditionen zu bringen. Und nun die Drehungen ganz anders machten. Aber nix da. Die Kasseler haben das herumlungernde Indianervolk mit ihrer Linietreue so auf Trab gebracht, dass die Cherokees, abhängig vom Tourismus, ihre offizielle Homepage nun auch auf Deutsch betreiben, um nicht nur Hessen über kulturelle Weiterentwicklungen auf dem Laufenden zu halten.

Aber welchen Segen der deutsche Geist in die tiefsten Ecken der Vereinigten Staaten getragen hat, das konnte ich erst im schönen Südwesten, genauer den Felslandschaften New Mexico erfassen. Dort haben Deutsche, und das musste mein tschechischer Kollege vom Prager Rundfunk, mit dem ich neulich dorthin reiste, einfach zugeben, weil er sich da auskennt, die empirische Kakteenforschung zu ungeahnter Blüte getragen: Tausende von Jahren blieb es der Menschheit versagt, das Wachstum von Kakteen zu messen, weil sie eben so langsam wachsen. Bis … ja, bis die Deutschen kamen. Die erfanden die Kakteenmessung mit GPS – und sind darin bis heute unangefochten Weltspitze! Also, Mr. Bush, here comes Angie …!

Fotohinweis: Adrienne Woltersdorf OVERSEAS Fragen zum Sonnentanz? kolumne@taz.de Morgen: Barbara Bollwahn ROTKÄPPCHEN