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Archiv-Artikel

neues aus neuseeland: kondom-pizza aus der hölle von ANKE RICHTER

Kindheit soll früher nicht nur viel länger, sondern vor allem viel besser gewesen sein. Und so unverdorben. Statt Sehnenscheidenentzündung im Daumen vom vielen Simsen bekam man eine solide Gehirnerschütterung, wenn die Kugeln des Klick-Klacks an die Birne knallten. Man trug Holzclogs und Rundschnitt statt Base-Cap und Arschritze. Selbst wer nicht der Augsburger Puppenkiste, sondern dem Grips-Theater ausgesetzt wurde, war doch vor einem ganz bestimmt sicher: vor Kondomen im Briefkasten.

Nicht so das gemeine Kiwi-Gör. Weil ein Fast-Food-Lieferservice namens „Hell Pizza“ sich eine frivole Wurfsendung einfallen ließ, sind Neuseelands Kinderseelen beschädigt. 170.000-mal landete ein nett verpacktes Kondom als Jahresendzeitpräsent zusammen mit einem Bestellzettel für die höllischen Pizza-Sorten in unschuldigen Briefkästen. Für Fleischliebhaber wurde mit Latex-Hilfe die „Lust Pizza“ beworben. Deren Belag besteht aus Mettwurst, Salami, Schinken und Cabanossi mit BBQ-Sauce, was man als ebenso schwere Geschmacksverletzung wie einen Pariser in der Post abtun könnte – nicht so die katholische Kirche. Im säkularsten Land der Welt hat sie auf Survival-Modus umgeschaltet und beißt sich an allem fest, was nach Satansbraten riecht, auch wenn dieser mit einer Hefeteigkruste daherkommt.

Das Zentralorgan NZ Catholic rief zum Boykott gegen die beliebte Pizza-Kette auf, die ihre Speisekarten gern mit Teufelchen verziert. Der papsttreue Chefredakteur sandte einen gepfefferten, wenn auch mit deutlich zu wenig Oregano versehenen Appell an seine Leser: „Was passiert, wenn ein Siebenjähriger so etwas im Briefkasten findet und seine Eltern fragt: ‚Was ist das?‘“ Was dann passiert, ist in der Tat kaum auszumalen, denn die Antwort könnte tatsächlich „Ein Kondom, mein Junge!“ lauten. Diesem Schreckensszenario ist selbst ein Exorzist nicht gewachsen.

Als die Beschwerden empörter Familienschützer bei der Behörde für die Einhaltung von Werbe-Standards zunahmen, gab sich auch „Hell Pizza“ plötzlich moralisch: Die Verhüterli-Aktion diene dem Kampf gegen die hohe Rate der Teenager-Schwangerschaften in Neuseeland. Immerhin liegt das kleine Land mit diesem Rekord unter den OECD-Staaten auf dem dritten Platz. Nichts als die Sorge um die Volksgesundheit habe die Höllen-Bäcker umgetrieben, obwohl das im krassen Gegensatz zu Mettwurst-Salami-Schinken-Cabanossi mit drei Pfund Käse steht.

Zum Glück gibt es down under auch sittlich einwandfreie Erbauung für Minderjährige. Im neuen Video „Bindi Kidfitness“ werden heiliger Geist und sauberer Körper dank Aerobic und der Tierpark-Band The Crocmen zusammengehalten. Kroko-Bändiger Steve Irwin, der im vergangenen Jahr von einem Stachelrochen erlegt wurde, lebt auf der in Pink gehaltenen DVD in seiner mindestens genauso unerträglichen Tochter Bindi weiter. Die wurde bereits bei ihrer Geburt fürs Fernsehpublikum gefilmt und kann sich daher nicht dagegen wehren, dass sie ab Frühjahr in der 26-teiligen TV-Show „Bindi, das Dschungelmädchen“ bis zum Känguru-Erbrechen vermarktet wird. Hoffentlich ruft dann jemand zum Boykott auf.