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Archiv-Artikel

Artenschutz und die Kunst

MUSIKIMPORT Deutsche Kulturorchester kämpfen bei Gastspielreisen mit neuen US-Zollbestimmungen zur Durchsetzung des Cites-Abkommens

Es gibt Camille Saint-Saëns’ „Karneval der Tiere“. Und natürlich Sergej Prokofjews zauberhaftes Kindermärchen „Peter und der Wolf“. Ansonsten spielen wilde Tiere in der klassischen Musik keine große Rolle. Es sei denn, man ist Orchestermusiker oder Soloinstrumentalist und will in die USA einreisen.

Seit dem 1. April kontrollieren die US-Zollbehörden allerpenibelst die Einfuhr von durch das Cites-Abkommen geschützten Tiermaterialien und Edelhölzern. Ganz oben auf dem Index steht Elfenbein, weil die Jagd nach dem vor allem in Asien als Statussymbol gefragten „weißen Gold“ explodiert. Und weil fast in jedem Geigen- oder Cellobogen aus traditionellen und konstruktiven Gründen ein kleines Stück Elfenbein verbaut wird, haben Orchestermusiker ein Problem.

Zuerst traf es die Münchner Philharmoniker. Im Frühjahr wollte das Orchester zu einem zweitägigen Gastspiel nach New York reisen. Zuerst erkrankte der Chefdirigent, doch Ersatz war bald gefunden. Dann schlugen die US-Zollbehörden zu und drohten mit der Konfiszierung von Instrumenten und Zubehör, für die ihre Besitzer keine behördliche Unbedenklichkeitsbescheinigung vorlegen konnten. Ohne Fürsprache höchster diplomatischer Stellen wären die Konzerte in der Carnegie Hall wohl ins Wasser gefallen.

Wenige Monate später hatte das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks mit ähnlichen Kalamitäten zu kämpfen, weil die Musiker auf der Rückkehr von einer Südamerika-Tournee ebenfalls in New York Station machen wollten. Wieder mauerten die US-Behörden. Einige Musiker schickten ihre wertvollsten Bögen sogar per Post von Südamerika in die Heimat zurück, um nicht Gefahr zu laufen, sie am Flughafen abgeben zu müssen. Trotzdem wurde einem Cellisten der Bogen konfisziert, weil in ihm ein Stückchen Pottwalbein verarbeitet war.

Artenschutz hat höchste Priorität, keine Frage. Doch mit reisenden Musikern trifft man definitiv die Falschen, zumal das meiste in Instrumenten verwendete Elfenbein entweder historischen Ursprungs ist oder aus „registrierten“, also legalen Altbeständen stammen dürfte. Glücklicherweise will das Bundesamt für Naturschutz bis Herbst eine praktikable Lösung vorlegen, wie man relativ leicht an einen „Instrumentenpass“ kommen kann. Vorher muss die EU allerdings noch eine entsprechende Rechtsvorschrift erlassen.

Trotzdem sollten die Musiker die drohende Einreisesperre zum Anlass nehmen, über ihr Verhältnis zur Ökologie nachzudenken. Ein prominentes grünes Vorbild ist der jüngst verstorbene Dirigent Claudio Abbado. Um seiner von Smog geplagten Heimatstadt Mailand Gutes zu tun, verzichtete er für zwei Konzerte an der Mailänder Scala auf sein Honorar – und ließ Tausende Bäume pflanzen. GREGOR ETSCHEIT