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Archiv-Artikel

Die neuen Herren der Straße

Im Kreis Gütersloh wird erstmals eine öffentliche Straße privat gebaut und betrieben. Der landeseigene Landesbetrieb Straßenbau NRW wird dabei als Subunternehmer arbeiten

VON DIRK ECKERT

Gerade mal einen Kilometer lang wird die Straße in Harsewinkel im Kreis Gütersloh, die den deutschen Straßenbau revolutionieren könnte. Denn die Umgehungsstraße wird komplett von einem Privatunternehmen gebaut und betrieben. Ein Pilotprojekt, wie die Baufirma betont. Auch die Landesregierung ist interessiert und hat das Projekt finanziell unterstützt.

Ab Februar soll die neue Straße gebaut werden. Die Stadt hat nur das Grundstück gekauft. Bau und Betrieb für die nächsten 30 Jahre erledigt ein Investor, die Hermann Kirchner Projektgesellschaft mbH aus Bad Hersfeld, die nach einer europaweiten Ausschreibung kürzlich den Zuschlag erhalten hat. Das Projektvolumen liegt bei 5,7 Millionen Euro, die Stadt wird eine jährliche Miete von 140.000 Euro zahlen. Diese wird allerdings der allgemeinen Kostenentwicklung angepasst. Rund fünf Prozent günstiger als Bau und Betrieb in Eigenregie soll dieses Modell am Ende für die Stadt sein.

Im Verkehrsministerium wird das Projekt wohlwollend beobachtet. „Wir können uns das für weitere Straßen in NRW vorstellen“, sagt Sprecherin Heike Dongowski. Auch mit der Art und Weise, wie der Investor den Betrieb der Straße sicherstellen will, hat das Verkehrsministerium keine Probleme: Kirchner betreibt die Straße nämlich nicht selbst, sondern überlässt Winterdienst, Ausbesserungsarbeiten und was noch anfallen kann, dem Landesbetrieb Straßenbau NRW. Der ist für Autobahnen, Bundes- und Landstraßen zuständig und untersteht dem Landesverkehrsministerium.

Ein Landesbetrieb als Subunternehmer? Das Verkehrsministerium stört sich daran offensichtlich nicht und will sich nicht einmischen. „Die Verträge werden zwischen den Partnern geschlossen“, sagt Dongowski. Der Landesbetrieb Straßenbau sieht sich durch den Auftrag bestätigt. „Wir operieren offensichtlich mit marktgerechten Preisen“, freut sich Sprecher Bernd Löchter. Ob Kirchner mehr oder weniger bezahlt als eine Kommune, will Löchter nicht verraten.

Etwas kritischer, wenn auch grundsätzlich wohlwollend, wird das Projekt im NRW-Finanzministerium beurteilt. „Das ist sicher nicht das idealtypische PPP-Projekt“, räumt Frank Littwin ein, der Leiter der Ministeriumsgruppe für Public Private Partnerships (PPP). Denn typischerweise strecken bei PPP die Investoren das Geld vor, während die Kommunen nur Miete zahlen. Die Umgehungsstraße wird aber von Bund und Land mit 75 Prozent bezuschusst. Ob Harsewinkel als Modell taugt, müsse noch evaluiert werden, sagt Littwin.

Warum es überhaupt einen Investor braucht, wenn Bund und Land den Großteil der Kosten übernehmen, ist Kritikern nicht klar. Den Rest könne die Kommune selbst tragen, meint Friedhelm Schmitz von der Unabhängigen Wählergemeinschaft in Harsewinkel. Mit dem PPP-Geschäft binde sich die Stadt unnötigerweise für 30 Jahre an ein Unternehmen und könne sich nicht mehr auf dem Markt nach den billigsten Angeboten umsehen. „Wir haben nichts gegen die Privatisierung öffentlicher Leistungen“, stellt Schmitz klar. „Aber das hat mit Privatisierung nichts zu tun. Ich nehme an, dass die Stadt im Laufe der 30 Jahre draufzahlen muss.“