: Kämpfe in Nadschaf fordern viele Opfer
Vor dem höchsten schiitischen Feiertag werden in der irakischen Stadt bei einer Militäraktion mehrere hundert Angehörige einer Miliz getötet. Angeblich planten sie Anschläge auf hohe Geistliche. Die Hintergründe der Gruppe sind völlig unklar
AUS ERBIL INGA ROGG
Kurz vor dem Höhepunkt des schiitischen Trauermonats Muharram ist es in der Nähe der heiligen Stadt Nadschaf im Irak zu schweren Kämpfen zwischen Regierungstruppen und Angehörigen einer Miliz gekommen. In den Gefechten, die am frühen Sonntagmorgen begannen und gestern sporadisch anhielten, sollen nach Regierungsangaben bis zu 300 Kämpfer getötet worden sein.
Irakische Politiker und Sicherheitskräfte machten widersprüchliche Angaben über die Identität und Motive der offenbar schwer bewaffneten Kämpfer. In den Gefechten seien 300 Militante getötet worden, sagte Brigadegeneral Fadhil Berwari. Laut Berwari, einem Kurden, waren unter den Toten 30 Afghanen und Saudis. Zudem seien 20 Kämpfer festgenommen. Ein Korrespondent der Nachrichtenagentur Reuters berichtete, er habe die Festnahme von 100 Kämpfern beobachtet, unter ihnen einige Verwundete. Das irakische Verteidigungsministerium wollte die Angaben zunächst nicht bestätigten. Die Regierungstruppen wurden von der US-Luftwaffe unterstützt. Dabei wurde offenbar ein US-Helikopter abgeschossen – der dritte innerhalb von acht Tagen –, wobei zwei Soldaten umkamen.
Mit seinen Angaben über ausländische Kämpfer hat Berwari den von Regierungsvertretern erhobenen Verdacht genährt, hinter den Kämpfern steckten sunnitische Extremisten. Der Gouverneur von Nadschaf, Asad Abu Kalil, sagte hingegen, unter den Kämpfern befänden sich auch Schiiten. Dem widersprachen jedoch mehrere ranghohe Sicherheitsvertreter wie auch der Chef der Pressestelle von Nadschaf, Ahmed Abdul Hussein Dueibil. Eine Miliz, die sich selbst „Soldaten des Himmels“ nenne, habe geplant, während der Aschura-Zeremonien, die heute stattfinden, führende schiitische Geistliche in Nadschaf zu ermorden. Nadschaf ist der Sitz der geistlichen Führung der Schiiten im Irak, unter ihnen Großajatollah Ali Sistani. Die Behörden hätten durch einen Tipp von der Verschwörung erfahren und die etwa 500 Kämpfer daraufhin angegriffen, die sich in Dattel- und Obstplantagen Zarka nordöstlich von Nadschaf verschanzten hatten.
Eine Gruppierung namens „Soldaten des Himmels“ ist bisher im Irak nicht in Erscheinung getreten. Es ist auch umstritten, ob und seit wann eine solche Gruppierung existiert. Ein hochrangiger Politiker aus dem Regierungslager sagte gegenüber dieser Zeitung, bei den Kämpfern habe es sich um Gefolgsleute des radikalen schiitischen Predigers Moktada al-Sadr gehandelt. Wegen des Drucks auf seine Miliz vermeide dieser jedoch jede öffentliche Stellungnahme. Demgegenüber gaben führenden Offiziere in Nadschaf an, hinter den Kämpfern stehe eine apokalyptische schiitische Sekte um den Geistlichen Scheich Ahmed al-Hassani al-Sarkhi, besser bekannt als Scheich Ahmed Hassani al-Jemeni, der von sich behaupte, ein direkte Nachfolger des entrückten Imam Mahdi zu sein.
Erweckungsbewegungen dieser Art hat es unter den Schiiten immer wieder gegeben. Sie erleben derzeit eine Renaissance. So steht der iranische Präsident Mahmud Ahmadinedschad in ihrer Tradition, aber auch Sadr, der seiner berüchtigten Miliz den Namen Mahdi-Armee gab.
Gerade während des Muharram, in dem die Schiiten des Märtyrertods von Mohammeds Enkel Hussein in der Schlacht von Kerbela 680 gegen eine sunnitische Übermacht gedenken, wird der Glaube an den jüngsten Tag wach. Den Höhepunkt finden die Riten an Aschura, dem zehnten Muharram und Todestag von Imam Hussein. Dazu werden in Kerbela bis 1,5 Millionen Pilger erwartet.