: Götterkrieg sorgt für neuen VW-Chef
Mit der Berufung von Martin Winterkorn an die Konzernspitze demonstriert die Porsche-Dynastie ihre Macht bei Europas größtem Automobilhersteller. Auf der Verliererseite stehen Bernd Pischetsrieder und Niedersachsens Ministerpräsident Wulff
AUS HANNOVER JÜRGEN VOGES
Ein gutes Jahr nach dem Einstieg des neuen Großaktionärs Porsche bei Volkswagen erhält Europas größter Autobauer nun auch einen neuen Chef. Nach einer Sitzung des Präsidiums des VW-Aufsichtsrats teilte das Unternehmen am Mittwochabend überraschend mit, dass sich das Kontrollgremium und VW-Vorstandschef Bernd Pischetsrieder „einvernehmlich über sein Ausscheiden zum 31. 12. 2006 verständigt“ hätten. Das Gremium, das Anfang des Jahres für den neuen Großaktionär Porsche von vier auf sechs Mitglieder erweitert wurde, empfahl dem Aufsichtsrat den Chef der Tochter Audi, Martin Winterkorn, zum neuen Vorstandsvorsitzenden zu befördern.
Eine Erklärung oder Begründung für den dann doch plötzlichen Führungswechsel war von der VW-Konzern-Kommunikation auch gestern nicht zu haben – man folgte dem Motto, dass die Menschen besser schweigen, wenn Götter Krieg führen. Nur der VW-Gesamtbetriebsrat machte in einer höflichen Erklärung deutlich, dass die Sympathien der drei Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsratspräsidium eindeutig beim neuen VW-Chef Winterkorn gelegen hatten.
So habe Pischetsrieder zwar „den Beginn für einen Wechsel in der Unternehmenskultur gelegt“. Ein ganz anderes Zeugnis hatten die Arbeitnehmervertreter allerdings für den neuen VW-Chef parat. Winterkorn gelte „als Topmanager, der mit einem Team arbeiten kann“, und habe „seine Audi-Elf als Trainer zu Höchstleistungen motiviert und bis an die Spitze der Tabelle geführt“.
Als treibende Kraft hinter dem Wechsel an der VW-Spitze muss man den größten Aktionär, die Familie Porsche/Piëch, ansehen. Aufsichtsratschef Ferdinand Piëch hatte Anfang des Jahres die Zukunft von Pischetsrieder als VW-Chef in Frage gestellt. Erst nach einem monatelangen Hin und Her wurde Pischetsrieder im Mai für weitere sechs Jahre in seinem Amt bestätigt.
Auch Porsche-Chef Wendelin Wiedeking, das sechste Mitglied im Aufsichtsratspräsidium, äußerte sich in den vergangenen Monaten kritisch über die Lage bei VW. Er attestierte Volkswagen zwar ein großes Potenzial, verlangte aber auch, bei VW müsse noch „alles richtig auf Drehzahl“ gebracht werden.
Vorbehaltlos gestützt wurde Pischetsrieder bis zuletzt nur vom niedersächsischen Ministerpräsidenten und Piëch-Gegner ChristianWulff. Dieser wollte gestern seine Niederlage, mit der die Epoche des beherrschenden Landeseinflusses bei VW zu Ende geht, nicht eingestehen. Er mahnte stattdessen Kontinuität an. VW sei auf einem guten Weg, der fortgesetzt werden müsse.