: Memorial ist jetzt ein westlicher Spitzel
RUSSLAND Fünf Menschenrechtsorganisationen erhalten einen Registereintrag als „ausländischer Agent“. Das könnte ihr baldiges Ende einläuten und ist ein weiterer Schlag gegen die Zivilgesellschaft
AUS MOSKAU KLAUS-HELGE DONATH
Darf man Wladimir Putin noch glauben? Am Dienstag vor der Sitzung des russischen Sicherheitsrats versicherte Russlands Präsident, die Daumenschrauben in Russland anzuziehen, sei nicht geplant. Am Vorabend allerdings hatte das russische Justizministerium fünf Nichtregierungsorganisationen (NGOs) zu „ausländischen Agenten“ erklärt. Darunter so bekannte Vereinigungen wie das Menschenrechtszentrum Memorial, das sich seit Ende der 1980er Jahre um die Aufarbeitung der stalinistischen Vergangenheit bemüht und Menschenrechtsverletzungen ahndet.
Ebenfalls im Agentenregister landete die Menschenrechtsorganisation Agora und der Ecodefense-Frauenrat aus Kaliningrad. Den Titel „ausländische Agenten“ müssen auch die Organisationen Juristen für Verfassungsrechte und Freiheit sowie Obschtschestwennyj Verdikt von nun an führen, die sich seit Jahren als Watchdogs der Justiz einen Namen gemacht hatten.
Treten diese Organisationen an die Öffentlichkeit, sind sie verpflichtet, darauf hinzuweisen, dass ihre Informationen von einer NGO stammen, die die „Funktion eines ausländischen Agenten ausübt“. Dafür reicht die Annahme von ausländischen Geldspenden oder Projektförderungen. Bei Zuwiderhandlung drohen Geldstrafen, im Wiederholungsfall müssen die Verantwortlichen mit Haftstrafen und Schließung der NGO rechnen. Bislang war dieser diffamierenden Verpflichtung keine Organisation nachgekommen.
Moskau hat die Rechte der Zivilgesellschaft in den letzten zehn Jahren immer weiter eingeschränkt. Seit der Orangen Revolution 2004 in Kiew sieht der Kreml in den aktiven Bürgern die größte Bedrohung für sein autoritäres Herrschaftsmodell.
Der letzte Schritt leitet nun eine Phase ein, an deren Ende es kaum noch unabhängige NGOs geben dürfte. Anfang Juli preschte auch die Steuerbehörde zur Unterstützung des Justizministeriums vor und forderte von der „Schule für Staatsbürgerliche Aufklärung“ mehrere Millionen Rubel Steuern nach. Anders als in den Vorjahren erkannte die Behörde ausländische Spenden nicht mehr als steuerfrei an. Dies könnte ein Präzedenzfall sein, der den vornehmlich aus dem Ausland geförderten NGOs den Geldhahn abdrehen soll.