piwik no script img

Archiv-Artikel

Schauer über manchen Rücken jagen

Hannes Wader ist vielleicht nicht der letzte Linke. Der letzte Liedermacher vom linken Rand mit echter Strahlkraft ist der Schleswig-Holsteiner aber allemal. Zurzeit ist der unermüdliche „Mann mit der Gitarre“, wie er sich selbst nennt, mal wieder auf Deutschland-Tour

Wenn Wader auftritt, kommen keinesfalls nur Ex-Spontis und die Restbestände von K- und verwandten Gruppen

VON JAN FREITAG

Hannes Wader. Dass ein Name, der so ungemein norddeutsch moduliert, derart international, besser noch: internationalistisch klingt, ist ja schon sonderbar genug. Und dass er es seit nunmehr vier Jahrzehnten tut, grenzt fast an ein Wunder. Links? Heutzutage? 2007? Am geisteswissenschaftlich ausgerufenen Ende der Geschichte? „Nein, die alten Lieder sind noch längst nicht abgehakt“, sagt der „Mann mit der Gitarre“, wie er sich selbst ganz bescheiden nennt. Er meint sozialkritische Lieder, sozialromantische Lieder, sozialistische Lieder. Und er hat zweifellos Recht.

Derart linke Weltanschauungen mögen ein wenig außer Mode geraten sein in den vergangenen Jahren, im politischen Leben wie auf der Bühne. Doch ihr bekanntester deutschsprachiger Vertoner lässt nicht von ihnen ab, weder hier noch dort. Und wenn er dieser Tage wieder mal von seiner neuen schleswig-holsteinischen Heimat aus bundesweit durch große Städte und kleine Orte tourt, werden die Hallen wie immer rappelvoll sein. Und sie werden Schauplätze eines Chorgesangs wie sonst nur bei Gottlieb Fischer, Waders konservativer Gegenprogrammierung, wenn man so will. Es stimme schon, sagt Hannes Wader mit seiner näselnden, seiner sonderbar pathetischen, fast arroganten Stimme: „Die Leute singen eigentlich alles mit.“

Wenn er allein mit der Gitarre auf einem Hocker sitzt und die unzähligen Stücke aus eigener Feder vorträgt, über Tankerkönige oder die eigene Familiengeschichte. Wenn er Volkslieder, Shantys oder Bob Dylan interpretiert. Wenn er „El pueblo unido“ ruft und es, wie auf seiner berühmten Arbeiterliederplatte von 1977 mit einer Stimme „jamás será vencido!“ aus dem Publikum zurückschallt. Oder von dieser Blume singt und ein Kanon von 30.000 Parteigenossen der DKP antwortet, es sei „die Blume des Partisanen, der für uns’re Freiheit starb“.

Diese rebellischen Zeiten sind natürlich längst vorbei, auch wenn Waders Vermächtnis dieser Klänge noch immer Schauder der Nostalgie über manchen Rücken jagt. Das weiß auch Hannes Wader, der ja in den heißen Tagen der RAF-Hysterie selbst ins Fangnetz aus Staatsschutz, Gesinnungsterror und Auftrittsverboten geriet. Die Linke habe damals, zur Zeit des Nato-Doppelbeschlusses, der grünen Gründungsbewegung und der ersten Anti-Terror-Gesetze „mehr Dynamik gehabt“, sagt er, das schon. Doch auch heute noch ist da etwas in den Sälen spürbar: eine Mischung aus Geborgenheit, Vertrautheit, Verlässlichkeit. Die Fans von einst, sagt Wader, seien halt einfach mit ihm älter geworden.

Dabei ist es keinesfalls so, dass nur ehemalige Spontis und die Restbestände von K- und gesinnungsverwandten Gruppen kommen, wenn Hannes Wader auftritt. Sein gesungener Monolog funktioniert bei plattdeutschen Tanztees im Vorpommerschen ebenso gut wie in großen Mehrzweckhallen auf der Schwäbischen Alb. Oder der Hamburger „Fabrik“: Die bespielt er regelmäßig, obwohl er fraglos auch das Kongresszentrum spielend voll kriegte, „weil man sich einen Rest von Intimität bewahren sollte“. In Berlin, wo er vor seinem Umzug in den Norden zehn Jahre lang lebte, lockt er 2.000 Leute ins „Tempodrom“. Die Bandbreite ist erklärbar, seit den Siebzigern hat er schließlich auch Volksliedgut im Repertoire, nicht jene Schollenromantik von, sagen wir: Marianne und Michael, selbstverständlich. Aber immerhin: Die Suche nach dem kleinen Glück im Großen.

Der Parteipolitik als Suche nach dem großen Glück im Kleinen hat er dagegen längst abgeschworen. Schon wenige Jahre nach der so genannten Wende, wie er so näselnd betont, dass es fast angewidert klingt, ist er aus der DKP ausgetreten. Nicht im Streit, aber ermüdet. In einer Krise habe er damals gesteckt, keine Plattenfirma, kein Management, private Probleme und dann auch noch jenes System zu Klump gehauen, dem er lange Jahre die Treue gehalten hatte. „Ein kapitalistisches AKW unmenschlich zu finden und ein sozialistisches menschlich, die Einstellung hab ich heute nicht mehr“, sagt er. Nur so ein Beispiel. Dass deshalb nicht alles schlecht gewesen sei, verstehe sich fast von selbst. „Ich habe ja meine Weltanschauung nicht geändert.“

Wohl aber den Umgang mit seiner Rolle. Heute spielt Hannes Wader nicht mehr auf jedem Parteitreffen, aber weiterhin im Soltauer Gymnasium oder der Oldenburger „Kulturetage“. Danach trinkt er nicht mehr die Nacht mit dem Publikum durch, sondern geht brav ins Bett. Hannes Wader ist, so was klingt immer sonderbar irreal, bald 65. Im Rentenalter also, einer der letzten Aktiven großer linker Musikanten von Franz Josef Degenhardt bis Knut Kiesewetter, der ihn 1969 entdeckt hat. Sicher, da wären noch Liedermacher wie Konstantin Wecker, Bettina Wegner oder Reinhard Mey, die sich politisch durchaus hörbar links artikulieren. Und Jüngere natürlich, etwa Jok Quetschenpaua aus Waders Nachbarschaft in Itzehoe. Zur Ikone aber, zum Standbild des linken Entertainments der leisen Töne hat es letztlich nur der gebürtige Ostwestfale Hannes Wader gebracht, der Mann mit dem Bart und der markanten Hakennase.

Dass er sie noch immer von der Bühne ins Publikum reckt, hat durchaus praktische Gründe. Zum Geld habe er immer ein eher gebrochenes Verhältnis gehabt, sagt er und lacht. „Als Alt-68er war es irgendwie bähbäh.“ Nicht, dass seine Karriere nicht einträglich gewesen wäre. Im Gegenteil. „Das Geld hat mich oft geliebt.“ Nahezu 40 Platten, vier Touren pro Jahr, das bringt nicht nur Mühe, sondern auch Einkünfte. „Aber als guter 68er hab ich das Geld natürlich immer nur so rausgeworfen.“

Er lacht sich sein Schicksal moralisch schön: „Und jetzt steh ich da und muss singen, bis ich 80 bin.“ Nicht die schlechteste Aussicht fürs Publikum. „Obwohl“ – Wader denkt kurz nach. Wenn er die Bühne vorher verließe, sagt er dann, „würde ich mir was aus dem Herzen reißen“.

Konzerte in Norddeutschland: 3. 2.: Lübeck, Kolosseum; 6. 2.: Soltau, Aula Gymnasium; 12. 2.: Melle, Alte Stadthalle; 13. 2.: Wilhelmshaven, Pumpwerk; 14. 2.: Hamburg, Fabrik; 15. 3.: Schönberg, Hotel Stadt Kiel; 16. 3.: Oldenburg, Kulturetage