: Ein Leben unter Dach und Fach
Bis heute werden in Norddeutschland Fachwerkhäuser gebaut. Viele Bauherren entscheiden sich dafür, weil sie ihre Kindheit in solchen Häusern verbrachten, andere freut die offen liegende Konstruktion, die ihnen das eigene Haus begreifbar macht
von Julia Brodersen
Die Häuser der Firma „Der Spieker“ sehen aus, als stünden sie unter Denkmalschutz. Dabei sind sie oft erst wenige Jahre alt. Das Unternehmen entwirft Fachwerkhäuser und kann davon leben. Denn das Wohnen im ältesten deutschen Baustil findet immer mehr Anhänger: In Norddeutschland werden derzeit, grob geschätzt pro Jahr 100 bis 150 neue Fachwerkhäuser gebaut. Insgesamt stehen rund zwei Millionen davon in Deutschland.
„Neben der Restaurierung alter Fachwerkhäuser werden wieder vermehrt neue Fachwerke als Einfamilienhäuser gebaut“, sagt Albin Homeyer von Der Spieker. Sie entstünden häufig südlich von Hamburg, bei Bendestorf und Jesteburg, aber auch im Großraum Hannover, etwa in Isernhagen, Burgwedel oder Wedemark.“ Gebaut wird norddeutsch-traditionell – mit roten Ziegeln in der Ausfachung zwischen den Balken und bisweilen auch einem reetgedeckten Dach.
Homeyers Meinung nach gibt es viele Gründe, warum sich heutzutage Bauwillige für ein Fachwerkhaus entscheiden. „Mindestens fünfzig Prozent unserer Kunden haben bereits als Kind in einem Fachwerkhaus gewohnt und sind somit an die Architektur gewöhnt, sodass sie sich auch später wieder für diesen Baustil entscheiden“, sagt Homeyer. Für die meisten Interessenten liege aber der wesentliche Grund für die Wahl eines Fachwerkhauses in der Optik. „Das rustikale Aussehen und der Charme des Fachwerks begeistern viele und sind mit der Hauptgrund, dass viele in so einem Haus wohnen wollen“, sagt der Unternehmer. Dabei sei die Kombination aus Steinhaus und Holzkonstruktion für die meisten seiner Kunden einfach ein guter Kompromiss zum reinen Holzhaus oder massivem Steinbau.
Nach der Erfahrung des Winsener Bauunternehmers Emil von Elling ist es die Kombination aus alt und neu, die ein Fachwerkhaus für viele seiner Kunden attraktiv macht. Auch wenn das Haus von außen den Anschein habe, als ob es schon mehr als 100 Jahre in der Landschaft stehe, könne es innen mit der modernsten Technik ausgestattet sein.
Zudem besitze ein Fachwerkhaus an sich eine hohe Wohnqualität. Wer in ihm wohnt, habe direkten Kontakt mit der Baustruktur seines Hauses, findet Elling. „Viele unserer Kunden erzählen, dass sie in ihrem Fachwerkhaus nicht nur wohnen, sondern es durch die offen liegende Holzkonstruktionen auch begreifen würden“, sagt von Elling.
Das Holzgerippe wurde um das Jahr 1300 als stabile Wandkonstruktion beim einfachen Hüttenbau entdeckt. Damit tragende Decken und Dachböden in die Häuser eingezogen werden konnten, wurden senkrechte, horizontale und schräge Ständer und Schwellen als Gerüst für die Wände eingesetzt. Die traditionelle Bauweise, bei der die Zwischenräume der Balken mit Backsteinen und Lehmputz gefüllt werden, gibt es heute noch. Dagegen haben computergesteuerte Maschinen das Zuschneiden und Verzapfen des Holzgerüsts übernommen.
Trotzdem müssen sich die Bauherren ihren Traum etwas kosten lassen. Die Preisspanne pro Quadratmeter beim Bau eines neuen Fachwerkhaus liege zwischen 1.300 und 1.600 Euro, sagt Bauunternehmer von Elling. „Im Rohbau ist ein Fachwerkhaus ungefähr zehn Prozent teurer als ein übliches Steinhaus“, so Elling, „das macht vor allem der Holzbau aus, die Kosten für die Innenausstattung sind dann wie sonst auch, von den Wünschen des Kunden abhängig.“
Neue Fachwerkhäuser werden oft nach ökologischen Kriterien errichtet. „Beim Bau werden ausschließlich natürliche Materialien wie Holz, Ton und Lehm ohne chemische Zusätze verwendet“, sagt der Planer Hohmeyer. Stoffe wie Hanf, Steinwolle oder Zellulosefasern füllen die Wärmedämmschicht hinter der Fachwerkwand. Die Holzdielen werden nicht lackiert sondern mit Wachs und Öl behandelt. Die Innenwände werden mit Lehm verputzt, der Feuchtigkeit aufnimmt und bei Bedarf wieder abgibt. Besonders geeignet sei diese Bauweise für Allergiker, da die ökologischen Materialien ein gesundes Raumklima erzeugten, sagt Homeyer.
Derzeit arbeitet er an dem Projekt „Fachwerksdorf Haghof“: In Isernhagen bei Hannover soll in wenigen Jahren ein komplettes Dorf von acht bis zehn Fachwerkhäusern entstehen. „Das ist was ganz Besonderes für Fachwerkliebhaber“, sagt er, „denn man wohnt dann nicht nur in einem Fachwerkhaus, sondern beim Blick aus dem Fenster schaut man auch ausschließlich darauf.“ Zwei Häuser sind bereits im Bau und werden im Sommer dieses Jahres bezogen.
Das bekannteste norddeutsche Fachwerkhaus ist übrigens das „Knochenhaueramtshaus“ in Hildesheim. Als Eigenheim dürfte das 1529 errichtete, 26 Meter hohe gotische Gebäude aber etwas zu groß sein.