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Archiv-Artikel

theatertreffen etc. Mehr gute Laune, weniger Debatten

Die Jury hat getagt, die Auswahl steht. Die Augen muss man sich nicht vor Überraschung reiben ob der Entscheidungen für das Theatertreffen im Mai 2007. Es ist in seiner Erwartbarkeit ein ebenso solides wie mäßig spannendes Ergebnis: Dreimal kommt das Thalia-Theater aus Hamburg, zwei Berliner Häuser sind dabei, sechs Regisseure der eingeladenen Inszenierungen (Andreas Kriegenburg, Jürgen Gosch, Nicolas Stemann, Dimiter Gotscheff, Michael Thalheimer, Sebastian Nübling) kann man inzwischen schon als Stammgäste des Theatertreffens begrüßen. Die Liste der Stücke von Aischylos, Sartre, Goethe, Molière, Shakespeare und Tschechow liest sich, unterbrochen nur von den beiden zeitgenössischen Autorinnen Elfriede Jelinek und Yasmina Reza, wie ein Bekenntnis zum literarischen Kanon. Keine Stückentwicklung ist diesmal dabei, keine neuen Theaterformen, keine unbekannten Häuser. Ungewöhnlich jung ist allein der Regisseur Tilmann Köhler (geb. 1979 in Weimar), vor kurzem noch an der Ernst-Busch-Schule in Berlin und seit 2006 Hausregisseur am Deutschen Nationaltheater in Weimar, der mit seiner Inszenierung „Krankheit der Jugend“ von Ferdinand Bruckner eingeladen ist.

Trotzdem freut die Auswahl, wenn die Gründe dafür auch eine Nummer kleiner sind als die Hoffnung auf eine Erneuerung des Theaters und eher von den Feinheiten der Inszenierungen getragen werden. Es ist eine Entscheidung für den leichtfüßigen Witz und die liebevolle Intelligenz, durch die sich der Regisseur Jan Bosse einen Namen gemacht hat, der gleich zweimal eingeladen ist: mit „Viel Lärm um nichts“ von der Wiener Burg und „Die Leiden des jungen Werthers“, Gorki-Theater Berlin. Es ist eine Entscheidung für die Entkrampfung im Umgang mit deutscher Historie und politischen Stoffen, wie sie Kriegenburg in den „Schmutzigen Händen“ von Sartre und Nicolas Stemann in „Ulrike Maria Stuart“ (Jelinek) suchte, beide am Thalia Theater Hamburg herausgekommen. Es ist nicht zuletzt ein große Bestätigung für dieses Theater und seinen Intendanten Ulrich Khuon, der sich um fast alle Beteiligten schon mal gekümmert hat. Und es ist eine Ermutigung zum Umgang mit den Klassikern, deren Geschichten eben nicht immer die gleichen bleiben, wenn sie mit dem Wissen der Gegenwart erzählt werden, wie es Michael Thalheimer in seiner „Orestie“ am Deutschen Theater Berlin macht.

Mehr gute Laune und weniger Schlacke der Betroffenheit, mehr Freude auf Schauspieler, wie etwa den gleich mehrfach vertretenen Schlacks Hans Löw, der als Werther dem Schwärmen einen frischen Körper verleiht, und weniger Debatten: Das ist auch ein Akzeptieren der Grenzen der Gattung. Von den vielen Projekten, den von der Bühne Richtung bildende Kunst diffundierten (Meese und Schlingensief an der Berliner Volksbühne, Forsythe),wollte die Jury lieber nichts. KATRIN BETTINA MÜLLER