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Archiv-Artikel

portrait Der Zahnarzt für alle Turkmenen

In Turkmenistan kannte ihn bislang kaum niemand, doch das dürfte sich jetzt ändern: Gurbanguli Berdimuchammedow wurde am vergangenen Sonntag mit 89 Prozent der Stimmen zum neuen Präsidenten des Landes gewählt und ist damit Nachfolger des größenwahnsinnigen Saparmurat Nijasow alias Turkmenbaschi.

Der weise Führer alle Turkmenen hatte rechtzeitig vorgesorgt. Auch der ruchloseste Despot sollte zumindest seinem Anwalt und dem Zahnarzt trauen. Letzteren baute Nijasow in aller Stille zum Nachfolger auf. Der 49-jährige Berdimuchammedow sieht dem verstorbenen Nijasow außergewöhnlich ähnlich. Die Augenbrauen, die Hamsterwangen, der Haaransatz und das Lächeln – wie dem Turkmenbaschi aus dem Gesicht geschnitten.

Die Zeit des Zahnarztes war gekommen, als er nach dem Tod Nijasows am 21. Dezember mit einer hohen Fellmütze angetan im Staatsfernsehen die um den verstorbenen Führer weinende Bevölkerung um Besonnenheit bat. Berdimuchammedow diente seinem Herrn seit 1998 als Gesundheitsminister und danach als Vizepremier. Als solcher exekutierte er die tödliche Gesundheitspolitik Nijasows. Krankheiten wie Aids oder TBC wurden nicht bekämpft sondern schlicht verboten, Krankenhäuser auf dem Lande geschlossen, Pflegepersonal gefeuert und durch Soldaten ersetzt.

Ein Turkmene, der heute in Norwegen im Exil lebt, lernte Berdimuchammedow während dessen Zahnmedizinstudium kennen. Nach dessen Erinnerung ist der neue Präsident ein stiller Mann, der es aber versteht, im Trüben zu fischen. So lässt sich vielleicht erklären, warum kaum jemand den Minister trotz seiner ungewöhnlich langen Dienstzeit unter Nijasow bemerkte. Denn in der Regel trennte sich der Turkmenbaschi recht rüde und häufig von seinem Staatspersonal. Wer nicht frühzeitig fliehen konnte, schmort bis heute in den schaurigen Gefängnissen Turkmeniens.

Bisher hat Berdimuchammedow wenig von seinen Plänen durchblicken lassen. Bei der Vereidigung gestern vor dem Volkskongress mit über 2.500 Delegierten erklärte der neue Präsident, dass er sich „Nijasow dem Großen“ verpflichtet fühle, und kündigte zaghaft Reformen an. Ein Wahlversprechen soll sich bald erfüllen. In wenigen Tagen werden die ersten beiden Internetcafés in der Hauptstadt Aschgabat eröffnet. Ein Aksakal, so nennt man in Zentralasien ehrwürdige Männer mit weißen Bärten, ermahnte Berdimuchammedow, bei der Zeremonie die Turkmenenbibel „Ruchnama“ als Wegweiser zu nehmen. Diese hinterließ Nijasow wie all die goldenen Denkmäler seinem Nachfolger. MARCUS BENSMANN