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Archiv-Artikel

„Idy“ gegen „Sopi“

In Senegal mobilisiert Expremier Seck die Jugend gegen Präsident Wade, und die Linke setzt auf die Migranten

BERLIN taz ■ Zum Schluss wurde Senegals Wahlkampf doch noch gewalttätig. Mindestens zehn Verletzte waren das Ergebnis von Zusammenstößen zwischen Anhängern der beiden wichtigsten Kandidaten für die Präsidentschaftswahl am Sonntag. In der Hauptstadt Dakar griffen am Mittwochabend mit Steinen, Stangen und Knüppeln bewaffnete Koranschüler in langen Gewändern, so genannte „talibés“, einen Wahlkonvoi von Oppositionsführer Idrissa Seck an; es kam zu schweren Krawallen.

Die sehr konservativen muslimischen Bruderschaften Senegals und ihre Koranschüler unterstützen Senegals Präsident Abdoulaye Wade, der sich am Sonntag zur Wiederwahl stellt. Der 80-Jährige, der nach Jahrzehnten der Opposition 2000 als Hoffnungsträger mit der Parole „Sopi“ (Wandel) siegte, hat aber gerade seine engsten Mitstreiter enttäuscht. Man wirft ihm Willkür vor. Die Zeiten, wo Wade in ganz Afrika als Visionär mit kühnen Entwicklungsideen respektiert wurde, sind vorbei. Stattdessen lästert Gegenkandidat Abdoulaye Bathily, Wade träume von Atomkraftwerken für Senegal, während die meisten Bürger weder Strom noch fließendes Wasser hätten.

Im Wahlkampf sagt Wade, er habe in sieben Jahren mehr Straßen gebaut als vor ihm Senegals Sozialisten in 40 Jahren, und kündigt Senegals bevorstehenden Aufstieg zum „Schwellenland“ an. Aber sein früherer Premierminister Idrissa Seck, der kurzzeitig unter fadenscheinigen Gründen von Wade ins Gefängnis gesteckt wurde und jetzt die aussichtsreichste Oppositionsbewegung gegen ihn anführt, kontert: Senegals Wirtschaft steckt in einer tiefen Krise, die Armut steigt. „Idy“ Seck führt nun einen „orange Konvoi“ gegen Wades paradox titulierte Wahlbewegung „Wandel 2007“ an.

Der 47-jährige Seck machte als Erstes die Massenauswanderung frustrierter Jugendlicher aus Senegal auf Booten Richtung Kanaren, die in den letzten Jahren tausende Menschenleben gekostet hat, zum Wahlkampfthema. Emigration sei „die Folge des wirtschaftlichen Niedergangs“, sagte er bei einem Besuch bei Angehörigen von Auswanderern in der Hafenstadt Saint-Louis. Viele arbeitslose und auswanderungswillige Jugendliche geben an, sie wollten Seck wählen.

Nicht alle trauen Seck, der lange mit Wade zusammen regierte. „Wade plus Seck gleich Null“ lautet ein Kampfspruch von Senegals traditionell starker intellektueller Linker. Die setzt nun auch auf die Migranten – das seien die wahren Helden der Nation. „Die Bevölkerung lebt von der Auswanderung“, sagt Linkspolitiker Bathily: „In vielen Dörfern gibt es Apotheken und Postämter nur wegen des Geldes der Emigranten.“ Sein Konkurrent Adama Guèye fordert: „Man soll die illegale Auswanderung nicht verbieten, sondern organisieren.“

Der Frust der Auswanderer könnte Wade schwer zu schaffen machen. Im Bezirk Thiès trafen Wahlkämpfer des Präsidenten auf eine wütende Delegation von Fischerfamilien, die alles verkauft hatten, um die Emigration ihrer Söhne zu finanzieren – vergeblich, denn viele wurden wieder aus Europa zurückgeschickt, mit Präsident Wades Segen. Stattdessen erhielten zwei der 502 Fischer Einreisevisa nach Spanien. DOMINIC JOHNSON