piwik no script img

Archiv-Artikel

Iraks Ölindustrie wird umstrukturiert

Das Kabinett in Bagdad einigt sich nach monatelangem Tauziehen auf den Entwurf eines neuen Ölgesetzes. Damit sind aber nicht alle Konflikte vom Tisch. Strittig sind die Kompetenzen der Regionalregierungen. Nun muss das Parlament entscheiden

AUS ERBIL INGA ROGG

Das irakische Kabinett hat sich auf den Entwurf für ein neues Ölgesetz geeinigt. Der Konflikt zwischen den Schiiten, Sunniten und Kurden um die Ölausbeutung und -einkünfte ist damit aber noch lange nicht beigelegt. In zwei zentralen Punkten gibt es weiterhin keine Einigung.

Dabei geht es um die Verteilung der Öleinkünfte zwischen der Zentralregierung und den Provinzen bzw. Regionen genannten Teilstaaten sowie den Annexen. Darin soll festgelegt werden, welche Ölfelder unter die Kontrolle des Ölministeriums bzw. der Iraq National Oil Company (INOC) und welche in die Zuständigkeit der Regional- bzw. Provinzregierungen fallen. Zudem müssen darin in sogenannten Modellverträgen Kriterien für die Vergabe von Ölverträgen festgelegt werden.

Sollte der jetzige Entwurf, der der taz vorliegt, Bestand haben, hätten allen voran die Kurden einen wichtigen Punktsieg errungen. Er gesteht den Regionalregierungen und den regionalen Ölgesellschaften das Recht zu, mit ausländischen Firmen Verträge über die Ölförderung abzuschließen. Die Kurden haben in den letzten drei Jahren bereits mit fünf Firmen Verträge abgeschlossen und an verschiedenen Orten mit Probebohrungen begonnen. Sobald die rechtlichen Fragen geklärt sind, könnte die norwegische DNO auf dem Feld bei Zakho mit der Förderung von 20.000 Barrel pro Tag beginnen. Damit kämen die Kurden bereits auf die Hälfte der Fördermenge von Bahrain. Insgesamt schätzt die hiesige Regierung, dass Kurdistan über ein Viertel der Gesamtreserven des Irak in Höhe von 116 Mrd. Barrel verfügt.

Sämtliche Verträge müssen laut dem Gesetz vom „Federal Oil and Gas Council“ (FOGC) in Bagdad geprüft werden. Dieser besitzt allerdings nur dann Vetorecht, wenn der Vertrag gegen die allgemeinen Rahmenrichtlinien verstößt. Die wiederum müssen noch in den Annexes geklärt werden. Bis es so weit ist, würden die Kurden mit den Investitionen fortfahren, erklärte Energieminister Ashti Hawrami.

Um die darniederliegende Ölindustrie in Gang zu bringen, ist der Irak auf Investitionen in Milliardenhöhe angewiesen. Sollte das Gesetz vom Parlament angenommen werden, könnte es dafür den Weg ebnen. Obwohl sich alle Fraktionen in der Regierung auf den Entwurf geeinigt haben, ist das nicht sicher. Denn wie unter Kritikern im Westen wird die Diskussion im Irak extrem ideologisch geführt. Dabei wird nicht nur die geplante Dezentralisierung, sondern auch die anvisierte Neuordnung der Ölindustrie für Zündstoff sorgen. So soll sich die Aufgabe des Ölministeriums, das seit der Nationalisierung des Öls in den 70er-Jahren alles kontrollierte, künftig auf die Richtlinienkompetenz beschränken.

Die beiden bestehenden Ölgesellschaften sollen in der „Iraqi National Oil Company“ zu einer unabhängigen Holdinggesellschaft mit regionalen Tochtergesellschaften zusammengeschlossen werden. Das wichtigste Gremium soll jedoch die FOGC werden. Dieser werden neben den Ministern für Öl, Planung und Finanzen und dem Chef der Zentralbank auch Vertreter der Regional- und Provinzregierungen sowie der Ölindustrie angehören. Dem FOGC zur Seite stehen soll ein unabhängiges Expertengremium. Der FOGC ist nicht nur Prüf-, sondern auch Schlichtungsinstanz.

Bevor das Ölgesetz jedoch die Hürde im Parlament nehmen kann, muss eine Vereinbarung über die Annexe und die Verteilung der Öleinkünfte erzielt werden. Die kurdische Regionalregierung beharrt darauf, dass das Gesetz als Gesamtpaket verabschiedet wird. Die Einkünfte sollen gemäß der Bevölkerungszahl an die Regionen und Provinzen verteilt werden, heißt es bisher. Das klingt zwar nach einem Kompromiss. Doch geht es dabei um mehr als die Frage, wie viele Einwohner eine Provinz hat. Viel heikler ist der Konflikt um das ölreiche Kirkuk. Die Kurden drängen darauf, Kirkuk noch in diesem Jahr dem kurdischen Teilstaat einzugliedern.