: „Sagels Rücktrittsforderung ist grundfalsch“
Der grüne Landeschef Arndt Klocke über Parteitagsbeschlüsse, Gewissensentscheidungen – und Fairness
ARNDT KLOCKE, 35, ist seit Februar 2006 Landesvorsitzender der Grünen in NRW. Der gebürtige Ostwestfale lebt in Köln.
taz: Herr Klocke, der grüne Bundesvorsitzende Reinhard Bütikofer plädiert für die Entsendung von Tornado-Kampfflugzeugen in den umkämpften Süden Afghanistans. Muss er deshalb zurücktreten?
Arndt Klocke: Nein. Dazu besteht überhaupt kein Anlass. Die Frage des Tornado-Einsatzes zu Aufklärungszwecken ist in den vergangenen zehn Tagen in der grünen Bundestagsfraktion, im Parteivorstand und im NRW-Landesvorstand sehr intensiv diskutiert worden. Reinhard Bütikofer vertritt seine Meinung – und das ist gewiss kein Rücktrittsgrund.
Rüdiger Sagel, der Münsters Grüne im Landtag vertritt, fordert aber genau das.
Ich halte Sagels Forderung für grundfalsch. Der Beschluss des Bundesparteitags vom Dezember, mit dem Sagel die Rücktrittsforderung begründet, zwingt nicht zur Ablehnung des Tornado-Einsatzes. Im Dezember haben wir über Kampfeinsätze im Süden Afghanistans diskutiert. Rücktrittsforderungen in Richtung Bütikofers oder auch an andere entbehren also jeder Grundlage.
Daniela Schneckenburger, wie Sie Landesvorsitzende der Grünen in NRW, spricht von einer faktischen Spaltung ihrer Partei. Es herrsche ein Schweigekartell, das die Friedens- und Sicherheitspolitik der Grünen blockiere. Sie sehen das anders?
Ja, sicher. Friedenspolitische Debatten führen die Grünen immer mit großer Leidenschaft und Intensität. Wichtig ist, dass wir fair miteinander umgehen. Die Fakten sind doch allen klar: Die Taliban werden verstärkt aktiv, die Sicherheitslage in Afghanistan ist dramatisch. Gleichzeitig wollen wir alle, dass der Norden des Landes nicht weiter destabilisiert wird und der Aufbauprozess dort nicht ins Gegenteil verkehrt wird. Über die schwierige Frage, wie mit dieser Situation umgegangen werden soll, haben wir in den vergangenen Tagen sehr, sehr intensiv debattiert. Das beweist doch, dass nichts verschwiegen wird. Daraus zu folgern, die Grünen seien gespalten, halte ich für falsch.
Daniela Schneckenburger fordert, die Friedens- und Sicherheitspolitische Kommission der Bundespartei müsse sich einschalten. Richtig?
Ja, die Debatte gehört in die Partei. Ich erwarte auch, dass dieses Thema beim Länderrat im kommenden Monat auf den Tisch kommt. Dieser kleine Parteitag muss über Afghanistan diskutieren – schließlich brauchen wir dort einen Strategiewechsel: Der zivile Aufbau muss verstärkt, die Lebensbedingungen der Menschen müssen verbessert werden. Deshalb haben wir im NRW-Landesvorstand den Tornado-Einsatz nach sorgfältiger Abwägung auch abgelehnt.
Im Bundestag wurde aber schon abgestimmt. Was bringt eine Debatte im April?
Wir haben in den vergangenen Tagen intensiv mit unseren Bundestagsabgeordneten diskutiert. Die Entscheidung ist heute im Bundestag gelaufen, das stimmt. Aber die Debatte um die zukünftige Entwicklung in Afghanistan geht weiter.
INTERVIEW: A. WYPUTTA