: Alice und die Mädels
„MISSY“ TRIFFT „EMMA“ Sechs Journalistinnen haben über „neuen“ und „alten“ Feminismus disputiert. Etwas Neues ist dabei nicht herausgekommen
Eine der härtesten Unterwerfungen unter Kapital und Schönheitswahn zurzeit lässt sich jeden Donnerstag im deutschen Fernsehen auf ProSieben beobachten: Allwöchentlich ruft Heidi Klum ihre „Mädels“ zusammen, damit sich diese in unterschiedlichen Prüfungen im Wettbewerb beweisen – auf dass eine von ihnen am Ende „das Cover der deutschen Cosmopolitan“ zieren darf.
Um „Germanys next Topmodel“ zu werden, lässt man sich dann eben in „sexy Posen“ fotografieren und muss dabei Spaß haben, dem als Beiwerk hinzugefügten Mann – Heidi Klum: „Ein Mann ist wie eine Handtasche“ – auch mal mit der Peitsche einen draufzugeben.
Das Cover der aktuellen Emma zieren sechs, die sich offensichtlich einig sind. Lachend und nach Angaben der Emma „nach fünf Stunden Gespräch und den ersten Gläsern Sekt“ verkünden zwei Journalistinnen vom Missy Magazin, die Bloggerin Katrin Rönicke und drei Emma-Journalistinnen, mittendrin natürlich Blattgründerin, Herausgeberin und Chefredakteurin Alice Schwarzer: „Kein Bock auf Spaltung!“
Man habe mit dem medial konstruierten Gegensatz zwischen „neuen“ und „alten Feministinnen“ aufräumen wollen.
Das Treffen war zustande gekommen, nachdem Rönicke eine E-Mail an Schwarzer geschrieben hatte, über die die sich „sehr gefreut“ hatte. Chris Köver vom Missy Magazin beschreibt die Idee dahinter so: Man wollte sich kennen lernen, um danach „die inhaltlichen Diskussionen zu führen“. Ziel des Gesprächs sei gewesen, gegen den antifeministischen Mainstream anzugehen.
Die Patriarchin spielt dann ihre jahrzehntelange Talk-Erfahrung in dem Interview auch gnadenlos aus. Alle Themen, die möglicherweise kontrovers sein könnten – Prostitution, Pornografie, Sexualität, der Kachelmann-Prozess – werden elegant abgeräumt. Der Islam wurde gar nicht erst angesprochen.
Am Ende sind es dann alles nur „Missverständnisse“ und die Positionen der Emma-Journalistinnen werden von den Besucherinnen mit einem Lachen oder einem „Genau!“ als unterstützenswert geadelt.
Die jungen Journalistinnen hakten bei der Vermischung von Pornografie mit Kinderpornografie – und gar mit Pädophilie –erst gar nicht ein und lassen auch die Behauptung stehen, dass die Politik beim Thema Prostitution „ignorant“ wäre und sich „seit 20 Jahren nichts geändert“ hätte.
Genauso bei Schwarzers Bild-Berichterstattung zum Kachelmann-Prozess: Nicht nur werden kritische Nachfragen zum Thema unterlassen, es wird auch hingenommen, dass Schwarzer eine Art Medienverschwörung vermutet und sagt, hierbei „verdammt allein“ dazustehen.
Danach räumt Chris Köver vom Missy Magazin ein, dass es falsch war, die Diskussion um den Islam gar nicht erst anzusprechen. Unbewusst untergeordnet? Im Interview sagte Köver, als Missy Magazin habe man sich „nie in Abgrenzung zur Emma gesehen“. Kövers Kollegin Stefanie Lohaus sagt außerdem, sie wolle sich nicht als Alphamädchen bezeichnen. Natürlich dürften Frauen Macht ausüben, sagt dagegen Köver, man müsse als linke Feministin jedoch „alle anderen Achsen von Unterdrückung über die Grenzen von Race, Class und sexueller Orientierung hinweg“ kritisieren. Gegenüber Emma wären solche Worte angebracht gewesen, sie fielen jedoch nicht.
In Netzkreisen wundert man sich nun über das von Emma dokumentierte Gespräch. Das mag auch daran liegen, dass Schwarzer den Medienstreit zwischen den Generationen fröhlich mit befeuerte. Und auch inhaltlich gäbe es an Schwarzer doch eine Menge Kritik: „Was in der Emma steht, wird in vielen feministischen Blogs nicht geteilt“, sagt eine Bloggerin und nennt als Beispiele die Kopftuchdebatte und Schwarzers Zugang zu Pornografie. Eine andere kommentierte: „Es gab und gibt diese Differenzen eben schon. Und warum sollte es sie auch nicht geben? Damit sich jetzt alle immer zuprosten, herzlich miteinander lachen und ‚Genau!‘ rufen können?“
Die Emma „dankt“ für Nachfragen, zum Beispiel auch danach, ob nach ihrer Ansicht der Islam im Feminismusdiskurs kein Thema wäre. Zur Sache äußerte sie sich nicht: „In der Emma steht jedoch alles, was wir dazu zu sagen haben. Dem haben wir nichts hinzuzufügen“, heißt es in einer Stellungnahme.
Du gehst zur Chefin? Vergiss die Peitsche nicht! JULIA SEELIGER