vor ort: kreis wesel : ALEXANDER FLORIÉ über einen Pöstchenstreit und einen angeblichen Sonnenkönig
Lokalpolitik ist manchmal wie der DFB-Pokal: eine Wundertüte voller Überraschungen. So muss es auch den Politikern im Kreis Wesel gehen, die zur Zeit um eine Personalie streiten, als ginge es um die Zukunft des Erdballs. Die Neubesetzung der Kämmererstelle sorgt dort für ein politisches Beben.
Grund für die Aufregung ist die Absicht des Landrates Ansgar Müller (SPD), einen Mann nach seinem Geschmack auf den Posten zu hieven – und zwar seinem eigenen Büroleiter Harald Rentmeister: „Herr Rentmeister hat bei einem transparenten Verfahren als der Beste abgeschnitten“, sagt Müller. Er habe „im Verfahren in allen Belangen fachlich und von der Führungskompetenz her Eindruck gemacht“, findet der Kreis-Verwaltungschef.
Bei den Parteien im Weseler Kreistag sorgt diese Entscheidung für Entrüstung: „Ich bewerte das als Brüskierung des Kreistages. Müller versucht, durch einen Vorentscheid die Befugnisse des Kreistages zu hintertreiben“, schimpft der Vorsitzende der CDU-Kreistagsfraktion, Hans-Georg Schmitz. Drastischer formuliert es Grünen-Fraktionschef Hubert Kück: „In 20 Jahren Kreistätigkeit habe ich das noch nicht erlebt. Der Fall hat eine besondere Natur, weil es der Büroleiter des Landrates ist. Man kann nicht sagen, dass da Objektivität bei der Auswahl vorhanden ist.“
Die Fraktionen von CDU, FDP, Grünen und Freien Wählern hängen sich insbesondere an der Art der Auswahl auf. In einem sogenannten Assessment-Verfahren wurde Rentmeister in einer Art Vorauswahl von einem Gremium bestimmt – in dem saßen aber aber nach taz-Informationen nur der Landrat, die Dezernatsleiter, die Gleichstellungsbeauftragte und der Personalratsvorsitzende. Ausserdem hat Müller Rentmeister zum Dezernenten, nicht zum Kämmerer bestimmt: Rentmeister soll aber die Aufgaben der Finanzen übernehmen. Aus Sicht der Kritiker ist das ein Trick. Der Grüne Kück etwa sagt: Der Landrat „geht davon aus, alle Dezernenten selbstherrlich wie ein Sonnenkönig zu benennen.“ Außerdem sei Rentmeister kein Finanzfachmann, der Favorit von CDU, Grünen, FDP und Freien Wählen, Peter Giesen, aber sehr wohl. Giesen ist Kämmerer in Rheinberg, einer der Kommunen des Kreises.
Müller selbst sieht das Ganze relativ entspannt. Aus seiner Sicht hat sich die Politik auf dieses „Assessment“-Verfahren geeinigt: „Ich bin von dem Personalverfahren ausgegangen, dass für Führungspersonen anerkannt ist.“ Nichtsdestotrotz wollen alle Fraktionen nun ihren Kandidaten Giesen wählen. Nur die SPD steht zu ihrem Landrat und dessen Mann: „Wir haben dieses Verfahren vereinbart. Wir werden den Kämmerer mitttragen“, so SPD-Fraktionschef Helmut Fischer.
Der Kreisausschuss hat sich mittlerweile für Giesen als Kämmerer ausgesprochen und die Bestellung von Rentmeister als unzulässig erklärt. Wird der Kämmerer aus Rheinberg auch im Kreistag gewählt, wird der Landrat wohl die Wahl beanstanden. Geklärt werden müsste das Ganze vor Gericht – mit ungewissem Ausgang. Showdown für Giesens Wahl ist der 15. März.