: berliner szenen Geister rufen an
Telekom-Paranoia
Eines Morgens war es zum ersten Mal passiert. Das Telefon hatte geklingelt. Ich nahm ab und hörte nichts. Im Lauf des Tages wiederholte sich das Spielchen. Und auch in der folgenden Woche kamen sie wieder, diese geheimnisvolle Anrufe – stets zur vollen Stunde.
Ich versuchte jemanden bei der Telekom zu erreichen. Schwebende Klavierakkorde erklangen, und eine Frauenstimme aus der Dose ließ mich Kommandos in den Äther sagen – bis es endlich hieß, nun würde man mich zu einem Mitarbeiter bei der Störungsstelle weiterleiten. Abermals ertönten die sphärischen Akkorde, diesmal in Endlosschleife. Nach zehn Minuten gab ich auf. Schon am nächsten Tag kamen sie wieder, diese Geisteranrufe, jede Stunde. Also wieder die Telekom, die Frauenstimme, die Klavierendlosschleife. Da mein Telefon keinen Lautsprecher hat, presste ich den Hörer eine halbe Stunde an mein Ohr. Dann begann mein Hals steif zu werden.
Plötzlich: Ein Tuten! Ein Freizeichen! Ein Mann meldete sich aus einem starken Rauschen heraus, das klang wie eine galaktische Entfernung. Stark berlinernd erklärte er mir, das ich eine kostenpflichtige Fangschaltung legen lassen könnte. Er werde meine Nummer notieren und sich morgen noch einmal melden.
Tatsächlich klingelte mich am nächsten Morgen um sieben eine Frau aus dem Bett. Sie hatte allerdings keine Neuigkeiten in Sachen meines Problems, sondern wollte mir einen DSL-Anschluss verkaufen. Später am Tag begannen die ominösen Anrufe ohne Anrufer von Neuem. Immer schön im Wechsel mit einer neuen Ansage, in der mir eine Maschinenstimme immer wieder verkündete: „Die Störung ist behoben.“ JAN SÜSELBECK