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Archiv-Artikel

vor Ort: Duisburg NATALIE WIESMANN über Werbeaktionen für ein verschmähtes Viertel

Die HausbesitzerInnen in Duisburg-Hochfeld wollen ihren Stadtteil nicht mehr in den Medien sehen. Zumindest sind sie es leid, von ausgebeuteten Prostituierten aus Bulgarien oder Spielhöllen in Hinterzimmern von Männercafés zu lesen. Berichte (auch in der taz) über Rauf Ceylans Doktorarbeit zu „ethnischen Kolonien“ in dem Duisburger Viertel haben bei der Hauseigentümer-Initiative „Klüngelklub“ für Empörung gesorgt.

Deshalb hat der Klub den Soziologen Ceylan eingeladen, seine Studie „unverzerrt“ vorzustellen und zu diskutieren. Dafür wurde das Café eines türkischstämmigen Unternehmers in einem Wasserturm angemietet – wohl auch um ein Vorzeigecafé in dem industriell gewachsenen Viertel zu präsentieren.

Zahlreich erschienen die AnwohnerInnen zu Ceylans Vortrag. Nicht nur wegen des sinkenden Immobilienwerts ihrer Häuser: „Die meisten sind keine „Großgrundbesitzer“, sagt Klüngelklub-Mitglied Thomas Rensing. „Sie wohnen in ihren eigenen vier Wänden und wollen dort auch bleiben.“ Wenn Hochfeld in den Medien schlecht wegkomme, fühlten sie sich persönlich angegriffen. „Politik funktioniert durch Schönwettermachen“, so Rensing. Wenn man ständig negativ berichte, ginge es erst recht bergab. „Wir müssen uns schon dafür einsetzen, dass die Müllabfuhr genauso oft nach Hochfeld kommt wie in andere Viertel“, sagt er.

2000 wurde Hochfeld in das Förderprogramm „Stadtteil mit besonderem Erneuerungsbedarf“ des Landes NRW aufgenommen. Für den Wissenschaftler Ceylan ist Duisburg-Hochfeld eine „ethnische Kolonie“ – der Begriff „Ghetto“ passe nicht zu dem Viertel, in dem er selbst eine Weile gewohnt hat. Ethnische Kolonien seien von den Nationalitäten her gemischt und offen: „Auch Deutsche kaufen in türkischen Supermärkten ein“, so Ceylan.Viele darunter wären mindestens einmal im Türkeiurlaub gewesen, hat er bei seinen Straßenbefragungen herausbekommen: „Der Türkeiurlaub scheint sich positiv aufs Zusammenleben auszuwirken“, sagt er. Das Publikum lacht. Die Stimmung lockert sich allmählich.

Ceylan hat für seine Doktorarbeit vor allem Interviews in Moscheen und Männercafés geführt. Als türkischstämmiger Akademiker waren sie für ihn leichter zugänglich. „Moscheen und Cafés sind wichtige Akteure bei der Integration“, sagt Ceylan. Die Moscheen hätten staatliche Aufgaben übernommen und böten Deutschkurse und Hausaufgabenhilfe an. Auch die Cafés und Teestuben haben, so Ceylan, eine „soziale Funktion“: „Die meisten der Besucher sind arbeitslos“. Sie nutzten die Cafés gerne als Schutzraum, entzögen sich dem Leistungsdruck. „Die würden zu Hause durchdrehen“.

Ein uniformierter Polizist springt für die Männerkneipen in die Bresche: „Nicht jedes Café in der Hand von Türken ist ein Bordell oder ein Spieltempel“, sagt er. Überhaupt sei die Kriminalität in Hochfeld nicht höher als anderswo. Die Zuhörer nicken zustimmend. Ein anderer wirft ein: „Hochfeld ist nicht kriminell, aber Kriminelle können hier wohl ganz gut leben.“