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Archiv-Artikel

Der Dieb des Lichts

In einem einsamen Tal in Kirgisien stellt der Wind eine ideale Energiequelle dar. Aber bevor der Strom fließt, muss jemand investieren. Dafür kommt keiner der Bauern der Gegend infrage, umso mehr aber ist ein Geschäftsmann aus der Stadt dafür der geeignete Mann, zumal er auch gern der politische Abgeordnete des Dorfs Kok-Moinok werden würde. Dieser Bekzat braucht nur noch einen Vertrauensmann in der Region, denn er selbst ist schon lange weg. Und so wendet er sich an den „Lichtmann“, den örtlichen Stromtechniker, der bisher vor allem dadurch aufgefallen war, dass er den Leuten, die wenig Geld hatten, den Stromzähler so manipuliert hat, dass sie nichts zahlen mussten.

Es herrscht eine informelle Politik in der Dorfkomödie „Der Dieb des Lichts“ von Aktan Arym Kubat. Wenn der Bürgermeister die einflussreichen Männer in den Gemeindesaal einbestellt, dann ergibt sich ein buntes Bild, aber ein einheitliches Abstimmungsverhalten. Nur der „Lichtmann“ ist ein eigenwilliger Denker. Er ist seiner Zeit ein wenig voraus und beobachtet bereits das ein oder andere Zeichen des Aufbruchs. Die Frau eines Bewohners von Kok-Moinok zieht ihr schönstes Kleid an, begibt sich zur Überlandstraße und besteigt dort einen Lastwagen (wenig später kommt ihr Brief aus Italien mit der Bitte um Zusendung der Scheidungsunterlagen).

Vor allem aber sind es die Berichte im Fernsehen, die von der Ablösung des Präsidenten Akajew künden und überall die roten Fahnen der Erneuerungsbewegung populär machen. In dieser Situation eines „zerfallenden Staats“ ist auch von Bedeutung, was in einem entlegenen Dorf passiert – auf dieser Spannung baut Aktan Arym Kubat seinen Film auf, denn dieser Gedanke lässt sich auf das Weltkino insgesamt übertragen.

Es gibt im Grunde keine Peripherie mehr, sondern nur noch Räume einer unterschiedlich durchgesetzten Modernisierung. Das Kino ist hier Agent und kritischer Beobachter zugleich. Aktan Arym Kubat, der mit „Beshkempir“ bekannt geworden ist, spielt selbst die Hauptrolle, den verschmitzten, trinkfreudigen „Lichtmann“. Er ist eine quichottische Figur, denn sein Energieprojekt zielt eigentlich auf Autonomie, auf Bewahrung einer unabhängigen und auch ein wenig trägen Lebensweise, und zu diesem Zweck glaubt er sich mit dem Mann im schweren Auto verbünden zu müssen – ein prekärer Pakt, wie er nicht selten vorkommt. „Der Dieb des Lichts“ ist eine universale Geschichte mit einem ganz besonderen Helden. BERT REBHANDL

■ „Der Dieb des Lichts“, Regie: Aktan Arym Kubat. Kirgisien/ D/Fr/NL 2010, 80 Min.