: Die Bahn kommt … hoffentlich
VERKEHR Jeder dritte Fernzug hat Verspätung, ermittelt jetzt die Stiftung Warentest. Unrepräsentativ, kontert die Bahn. Sie ist überzeugt: 90 Prozent aller Züge sind pünktlich
VON MARTIN RANK
Bahnreisende, die über Verspätungen schimpfen, dürften sich bestätigt fühlen: Eine Erhebung der Stiftung Warentest zeigt, dass jeder dritte Fernzug 6 bis 30 Minuten und mehr Verspätung hat. Am wenigsten Verlass ist auf Nachtzüge, ICEs und Eurocitys, so das Fazit. Man hat die Ankunftszeiten von über 1,3 Millionen Zugankünften in 20 bundesweit ausgewählten Hauptbahnhöfen erfasst und mit den Fahrplanvorgaben verglichen.
Ein Zug gilt dann als verspätet, wenn er mindestens 6 Minuten zu spät ankommt. Alles nur Erbsenzählerei? Nein, denn die Stiftung Warentest hat festgestellt, dass bereits geringe Verspätungen dazu führen, dass Reisende ihren Anschlusszug verpassen. Dies passiere jedem vierten Fahrgast bei Verspätungen, wenn er weniger als 15 Minuten Zeit zum Umsteigen habe.
Die Bahn bezeichnete die Ergebnisse als unrepräsentativ und entgegnete, dass über 90 Prozent aller Personenzüge – also Fern- und Regionalzüge – pünktlich seien. Die Stiftung Warentest verteidigt jedoch ihre Ergebnisse, die sie vom 1. Juli 2010 bis zum 28. Februar 2011 erhoben hat. Ein Computerprogramm hat dabei alle Zugankünfte in den ausgewählten Bahnhöfen erfasst. Es speicherte alle Verspätungen im Minutentakt, die auf der Internetseite der Bahn unter dem Punkt „Ist mein Zug pünktlich?“ öffentlich zugänglich sind. „Es handelt sich also nicht um Stichproben, sondern um eine vollständige Erhebung“, sagte der Leiter des Tests, Lothar Beckmann, der taz. „Vor Ort wurden die Daten stichprobenartig mit den tatsächlichen Ankünften abgeglichen“, sagt er. „Die Deckung war extrem gut.“ Streiktage seien in die Rechnung nicht einbezogen worden. Während des Winterchaos seien besonders viele Züge ausgefallen. „Doch insgesamt fällt das nicht so stark ins Gewicht.“ Laut Stiftung kommen nur 44 Prozent aller Fernzüge pünktlich. Rund jeder fünfte Fernzug kommt 6 bis 20 Minuten zu spät. 11 Prozent aller Fernzüge haben noch mehr Verspätung. Beim Regionalverkehr sind Verspätungen eher selten.
Je weiter ein Zug fährt, so das Fazit, desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass er sich verspätet. Beckmann sieht in der starken Auslastung des Bahnnetzes den Hauptgrund für die Verspätungen. Darum gebe es auch bei den Nachtzügen die meisten Verspätungen – der Güterverkehr habe dann höhere Priorität.
Die Bahn verfügt auch über detaillierte Daten zur Verspätung, will diese auf Nachfrage der taz nicht veröffentlichen. „Wir nennen keine detaillierten Pünktlichkeitswerte, sondern nur den Jahresdurchschnitt“, sagt ein Sprecher der Bahn. Eine kurzfristige Betrachtung sei nicht aussagekräftig, weil die Pünktlichkeit saisonalen und regionalen Schwankungen unterliege. Viele Faktoren beeinflussten die Pünktlichkeit. Das Spektrum reiche von mutwilligen Eingriffen in den Bahnverkehr, Personen im Gleis, Witterungseinflüssen über Störungen an der Infrastruktur, technische Störungen an Lokomotiven und Wagen bis hin zu Bauarbeiten.