THEATER

betrachtet das Treiben auf Berlins Bühnen

ESTHER SLEVOGT

Die Europäische Union ist ein Verwaltungsmoloch. Kommissionen, Lobbyverbände, Parlamentsarbeit: durch diese Institution kann man nicht marschieren. Höchstens kriechen, und zwar auf dem Zahnfleisch im besten Fall. Nehmen wir die Parlamentarierin Katja Petschmann, die nicht bloß an institutioneller Überforderungen zu zerbrechen droht, sondern darüber hinaus auch private Probleme hat. Beziehung kaputt, die Gesundheit streikt. Und am Ende zerbröseln die politischen Visionen. So zumindest will es der Plot der Dramatikerin Katja Hensel, deren neues Stück „EU only lives twice“ am 26. 9. im Heimathafen Neukölln uraufgeführt wird. Der James-Bond-mäßige Titel deutet auch schon auf den Lösungsversuch für die Problemberge der Parlamentarierin an: sie sucht sich eine Doppelgängerin. Katja Hensel, ausgebildete Schauspielerin und Absolventin des Studiengangs „Szenisches Schreiben“ an der Universität der Künste in Berlin, wird die Uraufführung ihres Stücks nicht nur inszenieren, sie spielt auch selber mit. (Heimathafen Neukölln: „EU only lives twice“, 25., 26., 27. 9., jeweils 19.30 Uhr).

Die einen also haben zu viel Arbeit und müssen sich verdoppeln, bei den anderen reicht es nicht mal für die eine Person, die sie von Natur aus sind. Mit diesem leider sehr geläufigen Fall setzt sich die neue Produktion der „Agentur für Anerkennung“ im Theater unterm Dach auseinander. „Nach der Arbeit“ hat die Gruppe ihr „Projekt zu Einkommen, Auskommen und eine neue Zukunft“ überschrieben, das sich unter anderem mit der Frage auseinandersetzt, ob das Konzept des bedingungslosen Grundeinkommens eine naive Idee oder eine Realutopie ist. (Theater unterm Dach: „Nach der Arbeit“, 25. + 26. 9., jeweils 20 Uhr).

Und dann gibt es noch die, für die bereits ein sicherer Platz zum Schlafen ans Utopische grenzt: die Hunderttausenden Flüchtlinge, die überall auf der Welt gerade in Bewegung sind: im Syrien, im Irak, in Afrika zum Beispiel. „Transit“ heißt ein Roman von Anna Seghers, der von den Flüchtlingsströmen handelt, die Nazideutschland in den 1940er Jahren in Europa ausgelöst hat. In der Box des Deutschen Theaters inszeniert der junge Regisseur Alexander Riemenschneider nun mit Blick auf die Gegenwart den berühmten Stoff. (Deutsches Theater/Box: „Transit“, Premiere 27. 9., 20.30 Uhr).

In der Werkstatt der Staatsoper gibt die Regisseurin Friederike Heller ihr Operndebüt mit einem Stoff aus dem Dreißigjährigen Krieg, der einem manchmal wie der Ewige Krieg vorkommt, an dessen Rändern wir immer noch leben. Staatsoper: „Des Simplicius Simplicissimus Jugend“ (Premiere 27. 9., 20 Uhr).