: Ein Fünkchen Hoffnung
Bundesarbeitsgericht sieht Streiks in Norddeutschland für Sozialtarife als legitim an
Der Weg für gewerkschaftlich organisierte Belegschaften, sich gegen Betriebsänderungen zu wehren, ist frei: Streiks und Arbeitskämpfe zur Durchsetzung eines Sozialtarifvertrages parallel zu den gesetzlichen Sozialplanverhandlungen sind zulässig. Auch könnten unternehmerische Entscheidungen mittels Arbeitskampf grundsätzlich in Frage gestellt werden. Das hat die Erfurter Kammer des Bundesarbeitsgericht (BAG) gestern Abend unter Vorsitz der BAG-Präsidentin Ingrid Schmidt – kurz vor Redaktionsschluss – entschieden.
Dem Urteil vorangegangen war ein jahrelang schwelender Konflikt zwischen der IG Metall Küste und dem Unternehmerverband Nordmetall. Die IG Metall hatte 1999 das Konzept entwickelt, bei Entlassungen auch die tarifpolitische Schiene einzuschlagen. Im Gegensatz zum Betriebsrat, der nach dem Betriebsverfassungsgesetz zur Durchsetzung von Forderungen nicht die Belegschaften mobilisieren darf, hat eine Gewerkschaft nach dem Tarifvertragsgesetz die Möglichkeit, Kampfinstrumente zur Durchsetzung ihrer Forderungen einzusetzen.
Kern des Konfliktes war der Streik bei Heidelberger Druckmaschinen in Kiel 2003. Mehrere hundert MitarbeiterInnen sollten damals entlassen werden. Die IG Metall Küste rief zum Arbeitskampf für einen Ergänzungstarifvertrag, umgangssprachlich “Sozialtarifvertrag“, auf, um sozialverträgliche Lösungen zu erreichen. Kernpunkt der Forderungen: Eine adäquate Abfindung sowie der Übergang in eine Transfergesellschaft.
Im IG Metall Bezirk Küste wird dieses Modell seit 1999, seit der Betriebsschließung der Dosenfabrik Züchner in Barmstedt bei Hamburg - relativ gesehen - erfolgreich praktiziert. Es gab Fälle, bei denen Unternehmen aufgrund des Streikdrucks – so beim Textilreiniger ITS-Rentokill im niedersächsischen Wilhelmshaven oder bei der Wäscherei Behrendsen im schleswig-holsteinischen Glückstadt – von Massenentlassungen Abstand genommen haben. Oder es sind zumindest Transfergesellschaften mit adäquater Ausstattung durchgesetzt worden. MAGDA SCHNEIDER, LUDWIG LEHMANN