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Archiv-Artikel

Der Fluch der roten Zone

Im sogenannten roten Bereich entscheidet sich ein Footballspiel. Gerade in der Endzone des Gegners hat Berlin Thunder seine größten Probleme. Am Samstag verlor das Team mit 10:14 sogar gegen die Admirals aus Amsterdam, den Tabellenletzten

VON THOMAS WINKLER

Die „Red Zone“ nennt der Footballspieler die letzten 20 Yards des Spielfelds. Dort ist die Endzone des Gegners greifbar nah und scheinen die Punkte schon vorprogrammiert. Dort wird das Feld aber auch immer enger, der Platz zum Agieren immer begrenzter und ist die gegnerische Verteidigung dadurch im Vorteil. Dort entscheidet sich, ob ein Touchdown erzielt werden kann, nur ein Field Goal, oder ob man gänzlich leer ausgeht. Dort, im sogenannten roten Bereich, entscheidet sich ein Footballspiel. Dort hat Berlin Thunder Probleme.

Nein, John Allen schüttelte den Kopf, so etwas habe er noch nie erlebt, so viele verpasste Gelegenheiten. Seine Mannschaft hatte sich zuvor als guter Gastgeber präsentiert: Der neue Headcoach des Hauptstadtteams musste mit ansehen, wie seine Spieler sich mit allen erdenklichen Gefälligkeiten bemühten, den aus Amsterdam angereisten Admirals ihren ersten Sieg in dieser neuen Saison der NFL Europa zu überlassen. Am Schluss mit Erfolg: 10:14 ging auch das zweite Heimspiel innerhalb einer Woche verloren. Thunder hat nun einen Sieg bei zwei Niederlagen auf dem Konto und steht einträchtig mit dem Gegner vom Samstag am Ende der Tabelle. Die wird angeführt von Frankfurt Galaxy, dem einzigen noch ungeschlagenen Team der NFL Europa.

Doch weniger den Tabellenstand fand Allen „ziemlich frustrierend“, auch nicht so sehr die Niederlage, sondern vor allem wie sie zustande gekommen war. Die knapp 12.000 Zuschauer hätten ein Spiel gesehen, klagte der 34-Jährige, bei dem beide Mannschaften ihre Vorgaben nicht so umgesetzt hätten, „wie sich das Trainer wünschen würden“. Es war eine sehr diplomatische Umschreibung dafür, dass die seinen ein Spiel aus Hand gaben, das sie eigentlich hätten souverän gewinnen müssen. Vor allem die Abwehr bot eine starke Leistung und ließ nur eine einzigen gute Angriffsserie der Admirals zu: Die allerdings brachte kurz vor Schluss den entscheidenden Touchdown.

Auch im Angriff lief es eigentlich recht gut. „Wir sind nach Belieben über das Feld marschiert“, durfte Allen feststellen, der, bevor er nach Berlin kam, drei Jahren lang sehr erfolgreich den Angriff der Admirals betreut hatte. Seine Handschrift ist auch in Berlin zu erkennen: Gleich viermal arbeitete sich Thunder bis in die Red Zone vor – aber viermal gelang es ihnen, sie wieder zu verlassen, ohne auch nur einen einzigen Punkt zu erzielen. Passempfänger griffen daneben oder Quarterback Travis Lulay warf die Bälle gleich direkt zum Gegner, Pässe wurden seltsam abgefälscht, überflüssige Fouls wurden begangen und der jamaikanische Kicker Andrew Jacas verfehlte das Gestänge aus kurzer Entfernung.

Alles kein neues Problem für Thunder. Schon in den ersten beiden Spielen ließ die Effizienz in der Red Zone zu wünschen übrig: Insgesamt neunmal stand man nun kurz vor der Endzone des Gegners, aber die Ausbeute war kläglich. Gerade mal ein einziger Touchdown steht zu Buche und kein einziges Fieldgoal. Noch will Allen nicht von einem Komplex oder gar einem Trauma seiner Angriffsreihe sprechen, „aber wir müssen schlauer und effektiver werden“. Das ist das Problem: Die sogenannte red zone efficiency der Berliner liegt nun bei erbärmlichen elf Prozent. Zum Vergleich: Der Rest der Liga ist nicht schlechter als 66 Prozent.

Der einzige Touchdown, den man am Samstag erzielte, kam denn auch zustande bei einem Spielzug, der bereits in der eigenen Hälfte begann: Lulay warf einen kurzen Pass auf Receiver Rich Musinski, der sich an der Seitenlinie über 63 Yards bis in die Endzone der Admirals durchwurschtelte. Es war der Höhepunkt eines Spiels, das „noch sehr lange weh tun wird“, so Lulay: „Kein Zweifel“, so der Quarterback, „wir hätten gewinnen müssen. Aber wir haben zu viele Fehler gemacht.“

Sein Trainer hofft nun, man sei nur eine gelungene Aktion davon entfernt, wieder in die Erfolgsspur zurückzukehren. „Wir suchen noch nach unserer Identität. Aber unser Team muss zusammen wachsen und wir sind nah dran“, glaubt Allen, „irgendwann wird es einfach klicken.“ Langsam allerdings wird die Zeit knapp, nicht nur weil die Saison nur zehn Spieltage lang ist. Sondern auch weil der in diesem Jahr neu eingeführte Werbespruch, „Berlin – Hometown of Touchdown“, sich langsam zum Fluch auswächst.