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Archiv-Artikel

Glimpfliches Ende für Darkazanli

Die Hamburger Justizbehörde hat die Auslieferung von Mamoun Darkazanli nach Spanien abgelehnt. Den dortigen Behörden gilt der Hamburger als Schlüsselfigur der al-Quaida. Bei einem Prozess in Madrid hätten ihm bis zu 20 Jahre Haft gedroht

Kein Terrorist

Den deutschen Ermittlern galt Mamoun Darkazanli niemals wirklich als Terrorist. Der Vorgänger von Generalbundesanwältin Monika Harms, Kay Nehm, hatte vor den Terroranschlägen des 11. September zweimal Ermittlungen gegen Darkazanli mangels Tatverdacht abgelehnt. Nach den Anschlägen geriet er deshalb massiv unter Druck und leitete doch ein Verfahren ein. Zwei Tage nach den Attentaten von New York und Washington durchsuchten Fahnder Darkazanlis Hamburger Wohnung. Doch auch bei einem früheren Durchgreifen gegen Darkazanli hätten die Anschläge nicht verhindert werden können, befand Harms schließlich: In die terroristischen Aktivitäten der Hamburger Zelle sei er nicht eingebunden gewesen. EE

VON ELKE SPANNER

Das Tauziehen um den mutmaßlichen al-Quaida-Kontaktmann Mamoun Darkazanli ist beendet. Hamburgs Justizsenator Carsten Lüdemann (CDU) hat den Behörden in Madrid mitgeteilt, dass er Darkazanli nicht nach Spanien ausliefern wird. Damit traf Lüdemann eine Entscheidung, die er selbst für falsch hält – und zu der er nach entsprechender Anweisung des Bundesjustizministeriums gezwungen war. Dem Ministerium wirft Lüdemann nun vor, „einen wichtigen Terrorverdächtigen vor der Strafverfolgung zu schützen“.

Der gebürtige Syrer kam in den 80er Jahren nach Deutschland. In Hamburg betrieb er einen kleinen Import-Export-Handel. Der 48-Jährige ist mit einer Deutschen verheiratet und besitzt inzwischen selbst die deutsche Staatsbürgerschaft. Seit Mitte der 90er Jahre, vermutet die Bundesanwaltschaft (BAW), soll er das al-Qaida-Netzwerk und damit eine „terroristische Vereinigung“ unterstützt haben. Beispielsweise hatte er Bankvollmacht für das Konto von Mamdouh Mahmud Salim, der 1998 als „Finanzchef“ von al-Qaida verhaftet wurde. Über sechs Jahre sammelten die deutschen Ermittler belastendes Material gegen Darkazanli. Nur: Strafbar war sein Handeln nicht. Damals war die Unterstützung von Terrorgruppen im Ausland noch nicht unter Strafe gestellt. Das ist erst seit 2002 der Fall. Die Ermittlungen der BAW liefen ins Leere.

In Spanien aber sieht die Rechtslage anders aus. Die Unterstützung ausländischer Terrorgruppen war dort schon vor 2002 strafbar. Und auch dort hat ein Untersuchungsrichter, Baltasar Garzón, Material gegen Darkazanli zusammengetragen, seit dieser Kontakt zu einem mutmaßlichen Führer der dortigen al-Qaida-Zelle aufgenommen hat: Darkazanli gilt als enger Freund von Imad Eddin Barakat Yarkas, der inzwischen als Anführer der spansichen Terrorzelle zu 27 Jahren Haft verurteilt ist. Die beiden trafen sich früher regelmäßig. Wenn Darkazanli in Madrid war, übernachtete er bei Yarkas.

Seit Jahren kämpft Garzón verbissen darum, Darkazanli vor Gericht stellen zu können. Bis zu 20 Jahre Haft standen als Strafandrohung im Raum. Im Oktober 2004 beantragte der Richter die Auslieferung des Deutsch-Syrers, um ihm in Spanien den Prozess zu machen. Das Werkzeug dafür hat ihm der Europäische Rat geliefert. Der beschloss den „europäischen Haftbefehl“, der seit August 2004 auch Deutschland verpflichtete, eigene Staatsbürger zur Strafverfolgung sogar für Taten auszuliefern, die hierzulande nicht strafbar sind.

Darkazanli war der erste Deutsche, für den ein solcher Haftbefehl ausgestellt wurde. Er kam in Auslieferungshaft. Nach acht Monaten war er wieder frei.

Zwar hatte die Hamburger Justizbehörde für ihn schon einen Flug in einer Iberia-Maschine von Berlin-Tegel nach Madrid gebucht. Eine Stunde vor Abflug aber stoppte das Bundesverfassungsgericht die Auslieferung. Wenige Wochen später kassierten die obersten Verfassungsrichter das Gesetz zum europäischen Haftbefehl. Sie verlangten höhere Hürden für die Übergabe eines Deutschen an andere Staaten. Die Grundrechte eines Verdächtigen seien nicht hinreichend geschützt.

Seit dieser Entscheidung schraubte sich für Darkazanli die Spirale wieder zurück, obwohl Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) das Gesetz zur „internationalen Rechtshilfe“ überarbeitete und Madrid erneut ein Auslieferungsgesuch nach Hamburg schicken konnte. Parallel aber stellte Generalbundesanwältin Monika Harms die hiesigen Ermittlungen gegen Darkazanli ein. Aus ihrer Sicht war der 48-Jährige kein Terrorist: Wohl sei er als Kaufmann in die unternehmerischen Geschäfte von al Quaida-Kadern involviert gewesen. So hatte er im Jahr 1993 für Ussama Bin Laden das Küstenmotorschiff „Jennifer“ gekauft, das der al Quaida-Boss für Frachttransporte einsetzte, um Einnahmen zu erzielen. Außerdem kannte Darkazanli die Hamburger Terrorzelle um Mohammed Atta, die die Terroranschläge vom 11. September 2001 durchführte. Es sei aber nicht davon auszugehen, stellte Harms fest, dass er bewusst an der Verwirklichung terroristischer Ziele mitgewirkt habe. Die Bundesanwaltschaft klappte die Aktendeckel im Juli 2006 zu.

Dennoch plädierte Hamburgs Justizsenator Lüdemann Ende November in einem Schreiben an das Bundesjustizministerium für die Auslieferung Darkazanlis an Spanien. Das aber lehnte ab. Es sei ein „zwingendes Bewilligungshindernis“, dass die BAW ihre Ermittlungen eingestellt habe. Lüdemann blieb nichts anderes übrig, als der „Juzgado Madrid“ einen Brief zu schreiben, in dem er die Auslieferung verweigerte. Das hat er Ende der vergangenen Woche getan. „Wir gehen davon aus, dass sich die Sache Darkazanli damit für uns erledigt hat“.

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