: „Mit Bush über Klima zu reden ist sinnlos“
Beim Gipfeltreffen zwischen der EU und den USA ist für den Klimaschutz nichts herausgekommen. Statt mit Bush sollte die EU besser direkt mit ökologisch fortschrittlichen US-Bundesstaaten verhandeln, so Danyel Reiche
DANYEL REICHE, 35, ist gegenwärtig Gastprofessor für „Energy and International Affairs“ an der Washingtoner Georgetown-Universität. An der FU Berlin gehört der Politologe zum Team der Forschungsstelle für Umweltpolitik. Reiche ist Herausgeber des Standardwerkes „Grundlagen der Energiepolitik“. An der FU Berlin habilitierte er sich mit einer Studie über erneuerbare Energien im internationalen Vergleich.
taz: Mister Reiche, auf dem US-EU-Gipfel in Washington ist es der EU erstmals gelungen, mit der Bush-Administration ein Abkommen zustande zu bringen, in dem beide Seiten zu gleichen Teilen zusichern, verantwortungsvolle Klimapolitik zu machen. Ist das ein Erfolg?
Danyel Reiche: Nein. Wer versucht, mit der Bush-Regierung Klimapolitik zu machen, verschwendet seine Zeit. Anstatt zu versuchen, in Washington Gehör zu finden, hätten die Europäer besser mit den Bundesstaaten und dem Netzwerk der US-Kommunen reden sollen, die sich freiwillig den Zielen des Kioto-Protokolls angeschlossen haben. Mit denen Allianzen zu schmieden, ist viel produktiver, als mit einer Regierung zu verhandeln, mit der es aufgrund ihrer Ideologie unmöglich ist, ambitionierte Klimapolitik zu machen.
Ist es nicht trotzdem politisch klüger, die US-Bundesregierung einzubinden, als sich auf den Ebenen darunter mit Akteuren in Kleinstprojekten zu verzetteln?
Nein. Die Erklärung, die Bundeskanzlerin Merkel und der US-Präsident ausgehandelt haben, ist sehr vage. Das Einzige, was ich darin als konkreten Beschluss erkenne, ist der Unterpunkt über die geplanten gemeinsamen Standards für Biokraftstoffe.
In den USA ist man, was die Nutzung von Ethanol angeht, weiter als in Europa. Wir können von einer Angleichung also nur profitieren, oder?
Sicherlich können wir da teilweise von den USA lernen. Dort ist Ethanol deshalb so erfolgreich, weil der Benzinanteil an den Kraftstoffen bei 97 Prozent und der Dieselanteil bei lediglich drei Prozent liegt. In Europa haben wir hingegen einen Dieselanteil von 40 bis 50 Prozent. Allerdings ist der in den USA produzierte Ethanol sehr ineffizient. Daher wäre es wichtig gewesen, die USA endlich dazu zu bringen, ihre Importbeschränkung für das viel effizientere brasilianische Ethanol aufzuheben.
Gut, aber gleichzeitig hat das Abkommen doch den wichtigen Effekt, andere Weltregionen indirekt aufzufordern, sich den künftigen transatlantischen Standards anzupassen?
Ich bin sicher, dass es sich im EU-US-Rahmen nur um technische Standards handeln wird. Dabei wäre gerade jetzt, wo ein Weltmarkt für Biokraftstoffe entsteht, besonders wichtig, auch ökologische Standards zu formulieren. Nur so ließe sich verhindern, dass beispielsweise trotz des steigenden Biokraftstoffbedarfs in Europa und den USA Regenwald nicht abgeholzt wird, um dort Biomasse anzupflanzen.
Bei dem Gipfel wurde auch verabredet, für saubere Energie aus Kohle zu sorgen. USA und Europa verfeuern beide einen hohen Kohleanteil. Deutet das nicht in die richtige Richtung?
Bislang gibt es leider noch kein einziges Clean-Coal-Kraftwerk, dass funktioniert. Ich bin überzeugt, dass das Abkommen vielmehr dazu dient, den Bau neuer Kraftwerke auf beiden Seiten zu legitimieren. Ich hätte es gut gefunden, wenn Merkel und Bush ein Moratorium gegen den Kohlekraftwerksbau verabredet hätten. Das hieße, USA und EU würden so lange keine neuen Kohlekraftwerke bauen, bis es die Clean-Coal-Technologie gibt. Aber für solche Verhandlungen wollte man wohl nicht die erforderliche Kraft aufbringen. Man hat es sich leicht gemacht, indem man sich über eine Technologie verständigt, die noch nicht verfügbar ist.
Hat sich da Ihrer Beobachtung nach jemand über den Tisch ziehen lassen?
Nein. Beide Seiten haben eine ähnliche Interessenlage. Die USA und beispielsweise Deutschland haben einen ähnlich hohen Kohleanteil im Strommarkt. Die Einzigen, die sich innerhalb der EU mit dem Moratoriumsgedanken anfreunden können, sind die Briten.
In den USA passiert in Sachen grüner Initiativen viel auf den unteren Ebenen. Ist es für diese Akteure in den USA nicht wichtig, dass die EU Druck auf Washington ausübt und die Regierung bei der Klimapolitik einbinden, wo es nur geht?
Nein, denn die Ostküstenbundesstaaten und das erwähnte kommunale Netzwerk haben in der Klimafrage schon so viel auf den Weg gebracht, dass ihnen mehr geholfen wäre, wenn die Europäer direkt mit ihnen zusammenarbeiten würden. Zum Beispiel gibt es die acht Bundesstaaten, die ab 2009 einen Emissionshandel einführen wollen. Das wäre für uns eine Riesenchance, dieses Projekt perspektivisch mit dem EU-System zu verknüpfen. Oder Kalifornien. Dort wurde ein Gesetz zur Förderung der Solarenergie auf dem Strommarkt auf den Weg gebracht, das sich stark am deutschen Gesetz orientiert. Oder kommunale Regelungen wie etwa in Boston und Washington, wo künftig alle Neubauten nach strikten Energieeffizienzstandards errichtet werden. Wir sollten mit diesen Pionieren kooperieren – anstatt die US-Regierung gut aussehen zu lassen. INTERVIEW:
ADRIENNE WOLTERSDORF