: Irgendwo dazwischen
Ökotourismus auf den Galite-Inseln
■ Ausflüge: Fahrten von ein bis drei Tagen zur Hauptinsel La Galité werden für Gruppen von circa 20 Personen angeboten, eine Genehmigung ist erforderlich.
■ Kontakt: Loisirs de Tabarka, Port de Plaisance Tabarka Tel. (0 02 16) 78 67 06 64 Handy: 98 r34 98 33
■ Wandern: Link zur Facebookseite der Wanderorganisation Association Tunisienne des Randonneurs (ATR) www.facebook.com/randotunisie?fref=ts
VON RENATE FISSELER-SKANDRANI
Dreieinhalb Stunden braucht der umgerüsteten Fischkutter von Tabarka bis zu den Galite-Inseln vor der Nordwestküste Tunesiens. An Bord zwanzig überwiegend junge Frauen und Männer der 2011 gegründeten Association Tunisienne des Randonneurs (Tunesische Wandervereinigung), die sich dem Ökotourismus verschrieben hat. Zwei schroffe Felsformationen – Galiton und La Fauchelle – und die breit daliegende Galite-Insel ragen im blassen Morgendunst aus dem Meer. Wie auf einem Bild, das jetzt gerade von zwei Lastschiffen im Schneckentempo durchquert wird. Drei Tage auf der Hauptinsel zelten, wandern, schwimmen und tauchen, abhängen. Wir bauen unsere Zelte auf dem engen, leicht abfallenden Betonviereck, direkt am Meeressaum auf. Früher wurden hier Güter verladen. In der Nähe unseres Zeltplatzes ist eine Anlegestelle für Fischerboote. Sie kommen am Spätnachmittag, ziehen in der Nacht ihre Netze ein und kehren zu den Häfen auf dem Festland zurück.
Auf der Hauptinsel befindet sich ein Grenzposten der tunesischen Marine. Sonst wohnt hier niemand. Das war nicht immer so. Archäologische Funde, Felsgräber und Grabbeigaben, Überreste eines Hafens verweisen darauf, dass die Insel – in antiken Quellen Galatea genannt – in punischer und römischer Zeit, vielleicht schon früher bewohnt war. In späteren Jahrhunderten waren hier europäische Korallenfischer am Werk, zeitweise diente die Insel Piraten als Rückzugsort. Während des französischen Protektorats lebten hier seit Ende des 19. Jahrhunderts bis zu 200 Franzosen und Italiener. Ein Dorf mit 40 Häusern, einer Schule, einer Kirche, einem Friedhof, entstand am diesseitigen Inselhang, Wasserleitungen brachten Quell- und Regenwasser bis ins Dorf. Nach der Nationalisierung des von Europäern bewirtschafteten Bodens zu Beginn der 1960er Jahre wurde es still. Häuser und Gebäude verfielen, Nutzboden wurde zu Brachland. Mittelmeervegetation hat sich von Neuem ausgebreitet. Mitte des 20. Jahrhunderts wurde der Unabhängigkeitskämpfer und erste Präsident Tunesiens, Habib Bourguiba, von 1952 bis 1954 von den französischen Kolonialbehörden hierher ins Exil verbannt. An einem der geweißten Häuser ist eine Gedenktafel angebracht.
In den Jahrzehnten nach der Unabhängigkeit hat es verschiedene Projekte zur „Rehabilitierung“ der Insel gegeben. Einige Gebäude wurden neu errichtet, teils unvollendet stehen sie jetzt da. „Die machen mal dies und mal das, je nachdem, wer gerade entscheidet. Es gibt keine konsequent durchdachte Politik, um der Insel neues Leben einzuhauchen“, sagt Mohamed, der mit der Insel vertraut ist und hier als Ornithologe viele Jahre Fortbildungen für junge Wissenschaftler durchgeführt hat. Eine Früh- und eine Spätwanderung, ausgerüstet mit Frontallampe, auf kleinen Wegen und verschlungenen Pfaden durch üppige Mittelmeervegetation. Dicht an dicht junge Kiefern, blühende Agaven, hohe Gräser, dazwischen Feigen- und Olivenbäume, Sonnenaufgang und Sonnenuntergang über dem Meer, atemberaubende Blicke auf die Nachbarfelsen. Unser Wanderbegleiter Anouar zeigt uns zahlreiche Grotten, manche dienten in vergangenen Zeiten als Wohnraum. Aber wir stoßen vor allem auf junge Ruinen: dem Zerfall überlassene Häuser. Ein blauer Briefkasten an einem leeren Haus erinnert daran, dass sogar die Post vor einem halben Jahrhundert bis hierher gelangte.
Nun öffnen sich die Inseln dem Ökotourismus. Bis jetzt ist für den Besuch eine Genehmigung erforderlich. Campen ohne einen Tropfen Süßwasser und jegliche sanitäre Vorrichtung hinterlässt Spuren der Verschmutzung. Zwischen den grün und grau, schwarz oder hell schimmernden Granitsteinen am Meeressaum lugen Plastikflaschen hervor. Vermutlich tragen manche BesucherInnen, die in Gruppen von 20 Personen ein bis drei Tage hier verbringen, ihren Teil zu den Missständen bei. Besucherströmen ist die Galite-Insel nun wirklich nicht gewachsen.