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Archiv-Artikel

12 m2 Spielwiese

Dies ist die 500. Ausgabe des taz.mags. Ein prächtiger Anlass für 600 Zeilen Rückblicke, Gratulationen und Making-ofs

Die Entwicklungsredaktion war sich 1997 sofort einig, was auf den neuen Seiten stehen sollte – schöne Texte –, aber trotz heftigen Grübelns war das Magazin noch namenlos. So wiederholte sich ein Stück taz-Geschichte: Wie bei der Gründung der Zeitung konnte sich der Verein der Freunde der tageszeitung auch diesmal partout auf keinen programmatischen Namen einigen, als der Hamburger Grafiker Wolfgang Kenkel längst den Auftrag für ein Layout erhalten hatte. Mit dem Pragmatismus des Künstlers schaffte Kenkel Tatsachen und entwarf den schwarzroten Schriftzug „taz.mag“ kurzerhand nach seinem persönlichen Geschmack. Fortan hatte der schöne Inhalt eine schöne Form und die quälende Suche nach einer (letztlich völlig überflüssigen!) Programmatik ein Ende.

KLAUDIA WICK , seinerzeit Klaudia Brunst und Chefredakteurin der taz, heute Medienjournalistin („Faction TV“, taz.mag vom 30. August 2003; „Geliebtes Bildarchiv“, 21. Dezember 2002)

Es ist schön, einen Ort für seine Geschichten zu haben, der einen nicht von vornherein festlegt und bei dem einen nur die eigenen Beschränkungen begrenzen. Ich habe fürs taz.mag größere Stücke gemacht über schwierige Mutter-Sohn-Beziehungen, Oberhemden im Alltag, heterosexuellen Neid auf die existenzielle Wucht eines homosexuellen Coming-out oder den Schriftsteller Dieter Wellershoff.

Als ebenso seltsam wie lehrreich erschien es mir immer, dass der Ort, an dem dieser weite Raum der unbegrenzten journalistischen Möglichkeiten Woche für Woche bebrütet, geplant und schließlich hergestellt wird, das kleinste Büro im taz-Gebäude ist. Zwei Redakteure und ein Praktikant sitzen auf vielleicht zwölf Quadratmetern beieinander, der dritte Kollege findet sich gleich auf der anderen Seite der Glaswand. Fast ein Lehrstück: Auch enge Räume können große Möglichkeiten eröffnen. Ein Besucherstuhl wäre dann und wann aber schon gut.

DIRK KNIPPHALS , Literaturredakteur der taz („Distanz, lebenslänglich“, 11. Mai 2002; „Hemden wirken disziplinierend“, 6. Dezember 2003)

Damals dachte ich als notorisch kurzsichtiges Mitglied einer tagesaktuellen Redaktion, es sei für das Thema sowieso zu spät. „Ist Amerika das neue Rom?“, fragte ich im taz.mag vom 31. August 2002, immerhin fast ein Jahr nach dem vielzitierten Anschlag von New York. Die Redaktion redete mir gut zu, und irgendwann fiel beiläufig der Satz: Warum machst du daraus kein Buch? Das nahm ich erst mal gar nicht ernst, dafür sei es erst recht zu spät – dachte ich. Volle vier Jahre nach besagtem Anschlag erschien mein Buch, und kein einziger der Rezensenten warf mir Fristversäumnis vor. Offenbar muss eine Zeitung, um mit der Zeit zu gehen, auf manchen Seiten zeitlos sein.

RALPH BOLLMANN , Ressortleiter taz-Inland („Thüringen im Teilungswahn“, 21. August 2004; „Currywurst und Cappuccino“, 6. Januar 2001)

Nach einer Geschichte kommt immer noch eine Geschichte. Vor zwei Jahren schrieb ich im taz.mag über das Leben meines polnischen Großvaters, der während des Zweiten Weltkriegs in der Exilarmee aufseiten der Alliierten kämpfte. Kurz darauf erreichte mich ein Brief. Der Beitrag habe sie sehr an die eigenen „verworrenen Zeiten“ erinnert, schrieb Regina Klettke, eine pensionierte Lehrerin aus Bergheim. Sie selbst wurde 1935 in Polen geboren, als Tochter eines Kaschuben und einer Danziger „Freistädterin“. Nach dem Überfall der Wehrmacht auf Polen wurde ihre Familie zu „Volksdeutschen“ erklärt – was ihre Mutter nicht daran hinderte, sich um die Frau und die Kinder eines Nachbarn zu kümmern, der auch in die polnische Exilarmee eingetreten war. Als der Krieg zu Ende ging, flohen die Klettkes nach Schleswig-Holstein. Eines Nachmittags, sie sammelten gerade Brombeeren, hielt plötzlich ein Jeep vor ihnen. Ein fremder Mann in englischer Uniform sprang heraus und umarmte die Mutter. Es war der polnische Nachbar. „Und es blieb nicht bei der Umarmung“, schreibt Regina Klettke. „Schön, nicht?“ Ja, wirklich.

KOLJA MENSING, Autor („Last Exit Provinz“, 9. November 2002; „Solche Sachen waren gewesen“, 26. November 2005)

An einem Wochentag im Winter 2004 saßen mein Kollege Jan Feddersen und ich mit dem Soziologen Heinz Bude für ein großes taz.mag-Interview im „Sale e Tabacchi“ unter der taz. Während dieses Gesprächs erklärte uns Bude, dass und warum Angela Merkel bald Deutschland regieren würde.

Nicht oft hat mich ein Interviewpartner so beeindruckt. Trotzdem dachte ich: Die Merkel? Na ja, Herr Bude, jetzt lassen wir aber mal die Kirche schön im Dorf. Am 28. Februar 2004 erschien „Und dann wird Merkel Kanzlerin“. Der Rest ist Geschichte – und bestätigt ein weiteres Mal die alte Weisheit: taz.mag – hier haben Sie es zuerst gelesen.

PETER UNFRIED , stellv. Chefredakteur der taz („Warum sind die Grünen so ängstlich und sprachlos?“, 10. Februar 2007; „Leben im Widerspruch“, 24. August 2002)

„Gehen Sie jetzt ins Adlon!“, hatte die Pressedame nach diversen Fehlstarts am Telefon gesagt und „Adlon“ französisch ausgesprochen. „Die Fürstin hat jetzt Zeit für Sie.“ Marianne Fürstin zu Sayn-Wittgenstein-Sayn hatte gerade ein fulminantes Buch mit ihren Promi-Schnappschüssen der 40er- bis 90er-Jahre veröffentlicht und gab Interviews für ihre erste Ausstellung. Allerdings saß sie, als ich im Hotel ankam, noch zu Tisch, in Begleitung eines Herrn. „Das war der Siegfried“, sagte sie kurz darauf bei der Begrüßung. Bitte? „Na, der Siegfried! Von Siegfried & Roy.“ Aha. Ich muss recht dumm geschaut haben.

Die betagte Dame war groß in Form. Gegen Ende fragte sie: „Von welcher Zeitung sind Sie eigentlich?“ „Vom taz.mag – dem Magazin der tageszeitung.“ Jetzt schaute die Fürstin mich an wie ich vorhin sie. „Eine linksalternative Tageszeitung“, schob ich nach – und sah, wie sie sacht zurückschrak.

Am Abend war eine Kollegin zur Aftershow-Party in der Paris Bar geladen. Und sie traute ihren Ohren kaum, als die Fürstin kundtat: „Und wissen S’ was? Wissen S’, wer mir am besten g’fallen hat von all den Presseleuten? Der Mann von der linksradikalen tageszeitung!“

REINHARD KRAUSE , taz.mag-Redakteur („Das Pathos devianter Frisuren“, 30. Oktober 1999; „Sexbombe im Kinderzimmer“, 18. November 2006)

Fünfhundert, das ist ein halbes Tausend. Ein schöner Anlass, dem Magazin mindestens fünfhundert weitere Ausgaben zu wünschen und mich bei denen zu bedanken, die das Blatt machen. Für die ausgezeichnete Betreuung meiner Texte. Für die vielen Gespräche, unten im taz-Café, die mir als freiem Autor Mut zum Weitermachen gegeben haben, und natürlich nicht zuletzt für das Forum, das das taz.mag bietet. Dort habe ich meine erste Reportage überhaupt veröffentlichen können. Das ist zwei Jahre her, und ich kann sagen, ich fühle mich beim taz.mag wie zu Hause. Es ist nie leicht, die richtigen Worte für Jubiläumsgrüße zu finden, aber diese hier kommen von Herzen.

THOMAS FEIX , Autor („Bei Waldschrats“, 4. Februar 2006; „Endlich Frau König“, 12. August 2006)

Karlsruhe. 18 Uhr. Das Taxi hält vor dem Bundesverfassungsgericht. Nur noch wenige Beamte arbeiten. Nur einer ist hellwach und empfängt uns neugierig. Nicht ohne Skepsis. Die Linken – da weiß man ja nie …

Karlsruhe. 23 Uhr. Die Tische des italienischen Restaurants leeren sich nach und nach. Die letzten Gäste zahlen. Nur an einem Tisch sitzt noch er, der konservative, ja als reaktionär verrufene Verfassungsrichter Udo Di Fabio, und sitzen wir, die Linken, bei Wein, Bier und – der Fortsetzung des Gesprächs. Des streitbaren Gesprächs. Die Tonbänder sind gesprengt, drei große Seiten längst gefüllt. Der Ärger ist programmiert. Darf man mit solchen Leuten reden? Ja. Im Magazin darf man das.

SUSANNE LANG , taz-zwei-Redakteurin, („Ich-Kampfschriften pro familia“, 24. März 2007; „So regiert Frank Schirrmacher“, 24. Juni 2006)

Es war im Juni vor sechs Jahren. Ich saß in meinem Garten im Brandenburgischen. Es war Samstag, in den Nachbargärten sangen die Rasenmäher, ich las das taz.mag. „Ich habe Krebs“ lautete der Titel, geschrieben hatte die Selbstauskunft unser USA-Korrespondent Peter Tautfest. Er nahm mich mit auf seine letzte Reise, durch deutsche Krankenzimmer und Arztpraxen. Zu seiner Frau, seinen Kindern. Ganz in die Nähe des Todes. Peter Tautfest hatte Krebs, 18 Monate später würde er, der Nichtraucher, an Lungenkrebs sterben.

Da waren sieben Seiten taz.mag. Sieben Seiten, auf denen sogar sein Röntgenbild zu sehen war, der Tumor in seiner Brust. Es war, ich muss das Wort gebrauchen, ergreifend. Und es machte mir klar, was in der taz journalistisch möglich ist. Weil es in diesem Blatt einen Platz wie das mag gibt. Ich habe mich bei Peter Tautfest nicht mehr für seinen Text bedankt. Schade.

ANJA MAIER , Redakteurin taz-Reportage („Summer of Hope“, 2. August 2003; „H - Ä - N - D - E - H - O - C - H“, 18. Oktober 2003)

Das taz.mag ist eine verführerische Spielwiese mit allen Möglichkeiten dieser Medienwelt, die wirkliche Welt zu beschreiben, fernab von Zwängen der Aktualität. „Was ist der Aufhänger?“, „Wo ist die soziale Relevanz?“, solche Fragen bekommt man dort nicht zu hören. Hauptsache, die Geschichte ist es wert, erzählt zu werden. Ein einzelnes Schicksal allein reicht, um relevant zu sein. So konnte ich einen etwas durchgeknallten millionenschweren Immobilienfritzen porträtieren, der sich für den Thomas Mann des Proletariats hält. Oder zwei Jungs auf einer halb illegalen Tour auf der Suche nach mittlerweile gut bezahltem Altmetall begleiten. Der manchmal auftretende Verdacht, dass sich das taz-mag mehr an Männer als an Frauen wendet, verschwindet, wenn ich Geschichten lese wie Ende April die von dem taubblinden Mann und seiner Verständigung mit der Welt.

BARBARA BOLLWAHN , taz-Reporterin („Nie war er so wertvoll wie heute“, 28. Oktober 2006; „Ein Bier gegen die Angst“, 19. April 2003)

Sobald ich mir einen kleinen Ruhm erschrieben hatte, das wusste ich früh, musste ich zur taz gehen. Aber erst dann. Ich wollte von meiner Lieblingszeitung keine Absage aufgrund mangelnder Erfahrung! Nach meinem ersten Israelbesuch schrieb ich einen Bericht über den Drogenkonsum der Soldaten, den ich dort beobachtet hatte, und wusste, den würde nur die taz drucken. Tatsächlich! Es wurde meine erste ganze Seite im taz.mag, und ich war stolz. Leider kam keine weitere Meldung mehr von der taz, und so prostituierte ich mich aufgrund von Schulden, wie sie junge freie Journalisten oft haben, in einer PR-Agentur.

Ich war sehr unglücklich, mein Chef drohte mit Kündigung. So fasste ich mir ein Herz und rief beim taz.mag an. Man erinnerte sich gut an mich und freute sich, dass ich wiederaufgetaucht war. Es kam noch besser: Gerade war eine Hospitanz im Magazin frei, also kündigte ich den schlimmen PR-Job, war fortan pleite, aber glücklich! Bis zum heutigen Tag, denn sie gaben mir die Chance, meine Nahost-Affinität zu professionalisieren und spannende Storys zu schreiben. Dies sende ich aus Beirut, wo ich gerade mit einem US-Fernsehteam drehe und endlich richtig Geld verdiene. (Keine Sorge: Das taz.mag hat die Storys, um die es geht, schon im letzten Jahr veröffentlicht.)

JASNA ZAJCEK , Autorin („Kalte Fische im Haifischbecken“, 22. Juli 2006; „Checkpoint Palästina“, 21. Januar 2006)

Man verfolgte in der westfälischen Provinz trotz Drohungen „Sperma-Abklatschspuren“ in einem Mordfall, cruiste unerschrocken durch die Pinienwälder der Adria und wurde fast von einem Stricher erwürgt, erkundete ohne Splitterschutzweste und mit der Notfallnummer der Deutschen Botschaft in der Tasche die illegale Homoszene Beiruts. Doch das Schönste an der Reise ist immer das Nach-Hause-Kommen: „Du musst das Thema aber auch wirklich durchdringen, mit kühlem Blick. Nicht wieder pischipuschi.“ Au weia, wo sie einen wohl beim nächsten Mal hinschicken? Ich bin bereit.

MARTIN REICHERT , taz-Redakteur („Ein Schnitt fürs Leben“, 9. September 2006; „Adieu, Habibi!“, 29. Juni 2006)

Alles fing vor acht Jahren mit einer Absage an, von der taz-Kultur: Das eingereichte Interview sei „toll, aber viiiiel zu lang“. Ich solle es doch mal beim Magazin versuchen, die hätten dort – seufz! – mehr Frei- und Spielraum auch für „längere Sachen“. Es wurde der Auftakt zu einer bis heute andauernden lockeren Interviewfolge und der Beginn einer wunderbaren Freundschaft. So beschert mir – size matters! – ein großartiges taz.mag-Format (Interviews von drei Zeitungsseiten Länge! Wo gibt’s das sonst?!) als Autorin bis heute immer wieder aufs neue Lust und Leid.

NIKE BREYER, Autorin („Flachdach ist spießig“, 22. April 2006; „Comeback eines Liebestöters“, 14. Februar 2004)

In Wien, wo neuerdings wieder osteuropäische Kollegen in den Kaffeehäusern ihrer Melancholie nachhängen, hört man, sie schreiben ein Krockie. Die Krockies gehören einem versunkenen Genre der Zeitungen des Ostens an, die man liest, während man das Kipferl in den morgendlichen Kaffee tunkt. Um Krockies zu schreiben, kommen die östlichen Kollegen nicht mehr ohne Notebooks aus, weswegen Plätze mit Steckdosen rar sind. Im Café Westend am Westbahnhof gibt es eine einzige Steckdose, direkt am Eingang, wo es zugig ist. Wer den ungemütlichen Tisch ergattern will, muss früh aufstehen oder sich beim Ober einschleimen, der ein heimtückischer Mensch ist. Eines schönen Tages werde ich dort für das taz.mag ein Krockie schreiben.

TILL EHRLICH , taz-Sättigungsbeileger („Kochen ist Gold“, 3. März 2007; „Rothschild trifft Mapuche“, 21. Oktober 2006)

Als es das taz.mag noch gar nicht gab, war ich eine Zeitlang Redakteurin in der taz Bremen für eine Kulturseite, die mit ihren wilden Themen durchaus als kleine Vorläuferin des überbordenden taz.mags gelten konnte. Dann zog ich in ein Städtchen und lernte das rücksichtsvolle Schreiben für die Heimatzeitung kennen. Wie wunderbar, dass wenig später das taz.mag geboren wurde! Da konnte ich mich als eBay-süchtige oder PC-Spiel-verrückte Mutter outen oder nachforschen, warum Schlachter menstruierende Frauen nicht in die Schlachteküche lassen. Mit dem taz.mag im Hintergrund fällt es mir leicht, heimatzeitungsfreundlich zu sein. Was für ein Glück!

CORNELIA KURTH , Autorin („Sie machen ja alles falsch!“, 27. Dezember 2003; „Verdorbenes Blut“, 2. März 2002)

Er ist der Einzige in meinem Bekanntenkreis, der letztes Jahr nicht ein WM-Spiel gesehen hat. Mit Fußball kann er nichts anfangen, Massenvergnügungen stoßen ihn ab. Vielleicht interessiert sich Reinhard Krause deswegen für Keramik – auch als Einziger in meinem Bekanntenkreis. Über seine Abneigung gegen das eine und seine Vorliebe für das andere hat er im taz.mag geschrieben. Vielleicht haben Sie die Artikel ja gelesen – vom größten Teil seiner Arbeit jedoch nehmen Sie als Leser nur Notiz, wenn sie schludrig gemacht wird. Also nie! Reinhard Krause ist Redakteur im taz.mag. Ein Unsichtbarer, der Spuren hinterlässt. In den Texten anderer. Und damit das niemand bemerkt – auch nicht die Autoren –, streift er sich dabei deren Schuhe über und tut so, als wären es seine. Als wäre er schon immer in diesem Text zu Hause gewesen. Er fremdelt nie. Reinhard Krause lässt andere glänzen. Das ist sein Job. Und den macht er so gut, dass er ihn leider bald woanders ausüben wird – gut, dass er diese Zeilen vorher noch liest, und zwar nicht nur, weil sie dadurch sicher besser werden.

DAVID DENK , Ex-taz-Volontär („Er und ich“, 12. August 2006; „Saufen einmal ums Eck“, 7. Januar 2006)

Besonders liebe ich das taz.mag für seine Indiskretionen. Keine Schwäche, die nicht geoutet würde in der Autorenzeile. Oder glauben Sie, die Verfasserin hätte je freiwillig zugegeben, ohne Putzfrau zu leben (damals!) oder auf Musik „fern jeder Feurigkeit“ abzufahren? Einmal, unter einem Porträt des äthiopischen Langstreckenläufers Haile Gebrselassie, stand da schwarz auf weiß: „Heike Haarhoff braucht für 10.000 Meter auf jeden Fall einen fahrbaren Untersatz.“ Dabei habe ich das noch nie ausprobiert. Ehrlich!

HEIKE HAARHOFF , taz-Reporterin („Todesmarsch in die Freiheit“, 23. April 2005; „Die Zweifel bestehen fort“, 17. Dezember 2005)

Das taz.mag ist eine wunderbare Spielwiese, und ihr lasst die AutorInnen experimentieren. Ich durfte über Otto Weiniger und die neue Männerliteratur bei euch schreiben, über päpstliche Perversionen oder das Glück des Katholizismus. Solche Texte entstehen oft nur, weil es das taz.mag gibt.

Einmal habe ich euch ein heikles Interview angeboten. Nur die taz schien mir seriös, alternativ und mutig genug, es zu drucken – ein Interview mit zwei schwulen Sadomasochisten, in dem es darum ging, genau zu beschreiben, was sie tun und was SM mit ihnen macht. Ganz so unerschrocken wart ihr, lieber Jan, lieber Reinhard, aber doch nicht, denn ihr wolltet just die Stellen kürzen, in denen es um Stromzufuhr für gewisse Mannesteile ging. Man hörte euch förmlich unter Kastrationsängsten ächzen. Als alte Feministin musste ich schon schmunzeln, aber sei’s drum, als neue Feministin verstehe ich euch ja! Ich wünsche dem taz.mag weiter viele gute Texte und AutorInnen und Strom an den geeigneten Stellen.

ANDREA ROEDIG, Autorin („Erregtes Warten“, 23. Dezember 2006; „Schluss mit dem Sex“, 4. Oktober 2003)

In einem gläsernen Verhau, der mit ein wenig gutem Willen an ein Aquarium mit höchst exotischen Zier- und Kampffischen erinnert, sitzt das Magazin der taz. Einmal kam der Große Schlagerpiranha angeschossen und fragte, ob er mir einen lang gehegten Wunsch erfüllen dürfe bzw. ich denn nicht mal mit Cat Stevens plaudern wolle, ich wisse schon, „Morning Has Broken“ und so, der sich seit fast 30 Jahren Yusuf Islam nenne und seitdem mit keinem Christenmenschen mehr gesprochen habe, jedenfalls mit keinem Journalisten, was aber kein Problem sei: „Hier, die Telefonnummer, das wird schon“, tätschel, tätschel.

Wenig später verbrachte ich etliche Stunden mit Cat Stevens alias Yusuf Islam. Wir stritten über Folk und Pop und das Bildverbot im Islam, streiften theoretische und theologische Themen. Am Ende bekniete ich ihn, doch bitte einfach wieder die Gitarre in die Hand zu nehmen. Zwei Jahre später erschien „An Other Cup“ von Yusuf Islam, wofür ich mich bei allen Cat-Stevens-Fans in aller Form entschuldigen möchte.

ARNO FRANK , Redakteur taz zwei („Ein scheinheiliger Krieger“, 21. Mai 2005; „A steht für Allah“, 1. November 2003)

Das taz.mag ist indiskret. Sollen die Autoren doch mal erzählen, wie es wirklich zugeht. So kamen wir zu Bekenntnissen von RAF-Leuten, Spektakeln aus dem Alltag, hörten von Schmutz und Dreck, von Sex und Erotischem. Die besten Ideen, fanden wir, entstanden, wenn andere dachten, sie erzählten etwas privat. Einer, neulich, aus einem anderen Ressort, raunzte eine freie Journalistin an: „Mein Gott, kannst du nicht mal aufschreiben, dass dieser ganze Sexmist, dieses ‚größer, praller, möpsiger‘ nicht mehr auszuhalten ist. Für mich schon gar nicht.“ Meine Frage, ob er diese wütenden Stoßseufzer nicht einmal fürs taz.mag aufschreiben wolle, beantwortete er mit einer Furchtfalte am Kinn: „Mal sehen.“ Er traute sich doch nicht. Leider. Es hätte klasse sein können, einmal von einem heterosexuellen Mann aufgefächert zu bekommen, dass er das Klischee vom Mann, der nur auf Pornografisches steht, für Blödsinn hält. Das taz.mag hat oft Scheinblödsinn gedruckt. Es hat oft sehr gefallen. Uns erst recht!

JAN FEDDERSEN, taz.mag-Redakteur, („Ich jamme nicht mehr“, 12. Juli 2003; „Alles, jetzt, sofort“, 17. August 2002)

„Ihr müsst erkennbarer werden“, sagt der Kollege bei der Konferenz. Würde er das Magazin machen, stünde auf der Dritten Seite jeden Samstag ein Interview. „Das machen andere auch so.“ Die Kollegin sagt auf der Weihnachtsfeier: „Für die Fünf muss eine Kolumne her!“ Außerdem Fotos von den Autoren – verlässlich, immer dieselben. Feste Themen, feste Genres, feste Texte, festgefahren. Nur das, was jede Woche erscheint – die Letzten Fragen – sei ja nur noch grässlich. „Weg damit!“ Doch auf der Treppe, im Lift, am Fahrradstand oder am Nachbartisch im taz-Café sagen sie dann: „Wilde Mischung letztens. Gut!“ JUDITH LUIG, taz.mag Redakteurin, („Kunststadt im Probemodus“, 28. April 2007; „Same, same – but different“, 16. August 2003)

Warum ich das taz.mag liebe:

Original-taz.mag-Mail vom 13. März 2006 an mich: „ich weiß jetzt, worauf es bei deinem freud-aufsatz ankäme. lass uns morgen einen kaffee trinken.“ 29. März: „meinst du, dass wir heute oder montag zeit fänden, um über dein freud-thema zu sprechen? lass mich rasch wissen, wie uns das gelingen kann.“ 8. August: „ich freue mich auf deinen text am 22. august.“ 19. September: „bist du schon mit deinen beiden texten weitergekommen: antisemitismus und freud?“

29. September: „dein text ist ein gelungener auftakt zu einem schönen redaktionellen prozess. ich bitte um einige präzisierungen.“ 20. Oktober: „nach dem quotenmäßig außergewöhnlich erfolgreichen porno.mag brauchen wir neue highlights. du sollst dabei sein. kurz gesagt: antisemitismus? freud?“ 1. November: „freud? änderungen? wann? du uns schwer unter druck setzen wollen? nein? na also! dann mal rasch.“ 2. Dezember: „lass mich um deinen freud-fortschritt wissen.“

Der Text ist am 16. Dezember 2006 im taz.mag erschienen.

PHILIPP GESSLER , Redakteur im Schwerpunktpool der taz („Lasst euch nicht betören“, 10. März 2007; „Wozu noch nach Israel“, 29. November 2003)