: Ökoplatte bietet noch Freiräume
In Lichtenberg steht das größte Niedrigenergiehaus Deutschlands mit 296 Wohnungen. Fast die Hälfte davon ist jedoch unvermietet
Schon beim Aussteigen am S-Bahnhof Nöldnerplatz ist es zu sehen. In den Farben Orange und Weiß, mit 18 und 21 Stockwerken ragt es in den Himmel. Sonderlich auffallend ist das Gebäude nicht. Von außen scheint es ein profaner sanierter 70er-Jahre Plattenbau zu sein, zwischen lauter anderen profanen sanierten 70er-Jahre-Plattenbauten. Dabei ist das Lichtenberger Haus mit den zwei unterschiedlichen Höhen das größte Niedrigenergiehaus Deutschlands. Gestern wurde es vorgestellt.
Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) sparte dabei nicht mit Lob für die Wohnungsbaugesellschaft Howoge, der die Luxusplatte gehört. Als „Pilotprojekt, das ausstrahlen wird“, bezeichnete die Senatorin den Vorzeigebau. Schließlich sei es eine der wesentlichen politischen Fragen der Zukunft, wie Energie gespart werden könne.
Bei dem Niedrigenergiehaus, in dem insgesamt 296 Wohnungen untergebracht sind, wurde das mit verschiedenen Mitteln versucht. Die Fassadendämmung zum Beispiel ist 12 Zentimeter dick; normal wären lediglich 6 Zentimeter. Da so weniger Wärme nach außen dringt, muss weniger geheizt werden. Die in allen Wohnungen eingebaute Lüftungsanlage ist da schon trickreicher. Um die verbrauchte warme Luft beim Öffnen der Fenster nicht zu verlieren, wird sie vorher in Küche und Bad abgesaugt, gereinigt und den Wohnräumen wieder zugeführt. Eigentlich muss man damit zum Lüften nicht mal mehr die dreifach isolierten Fenster öffnen. „Ein gesamter Rauminhalt wird einmal die Stunde umgewälzt“, erklärte Gudrun Höfs, die bauliche Projektleiterin, bei der Besichtigung einer Musterwohnung. Insgesamt hat die Howoge 8 Millionen Euro in die ein Jahr dauernde Sanierung gesteckt.
Auch die Musterwohnung selbst zeigt keine äußerlichen Auffälligkeiten. Drei Zimmer, Küche, Bad, weiße Wände, helles Laminat, kein Balkon. Eine normale, moderne Wohnung – die natürlich mehr Miete kostet als vor der Sanierung. „Für 31 Quadratmeter bezahle ich jetzt 50 Euro mehr im Monat“, sagt Tilo Jielte, einer der Mieter im Niedrigenergiehaus.
Jielte ist Hartz-IV-Empfänger und hat deswegen Zeit, bei den Feierlichkeiten zur Schlüsselübergabe an diesem Vormittag dabei zu sein. Er weiß, dass die meisten Mieter trotz der angekündigten Mieterhöhungen für die Sanierung gestimmt haben. „So wie es vorher hier aussah, konnte es ja auch nicht mehr weitergehen.“ Es habe viele Graffiti gegeben, viele Briefkästen seien angezündet worden. Am Haus selbst, 1974 hochgezogen, sei seitdem nichts mehr gemacht worden. Jetzt ist zumindest alles sauber, auch wenn schon wieder einige Graffiti im Hausflur gesprüht wurden.
Die Bauarbeiten seien ganz schön stressig gewesen, berichtet Jielte. „Im Bad haben die alle Fliesen runtergekloppt, das waren so ’ne Riesenschuttberge.“ Er zeigt mit der Hand auf eine Höhe bis etwa zu seinen Hüften. Ob die Mieter eine Mietminderung wegen der Bauarbeiten erhalten haben? „Bis jetzt noch nicht. Die müssen erst noch mit den Baufirmen abrechnen“ Aber einen Gutschein über 5 Euro hätten alle Mieter von der Howoge schon bekommen.
Der erhöhte Mietpreis soll sich durch Einsparungen bei den Heizkosten für die Mieter lohnen. Wie schnell, darüber konnte Angela Reute, Sprecherin der Howoge, gestern keine Auskunft geben. „Da müssen wir bis 2008 abwarten.“ Der Jahresenergiebedarf soll jedenfalls, nach Angaben der Howoge, um 30 Prozent gesenkt werden und der Kohlendioxidausstoß um 58 Prozent – gegenüber der Zeit vor der Sanierung. Trotz der guten Prognosen: Knapp die Hälfe der Wohnungen ist noch nicht vermietet.
KATHRIN SCHRECK