: Expansion grundsätzlichen Misstrauens
Haus der Photographie zeigt Foto-Essays zum Thema Sicherheit und gesellschaftliche Wahrnehmung. Sie wurden für den 5. Körber-Foto-Award ausgewählt. Zum Programm gehört eine Reihe von Diskussionsabenden
Wie reagiert eine in Sicherheit aufgewachsene Generation auf neue gesellschaftliche Risiken? Wie reagiert die Photographie darauf? Diesen Fragen widmete sich der Wettbewerb zum 5. Körber-Foto-Award – einem Preis, der alle zwei Jahre an junge Fotografinnen und Fotografen in Deutschland vergeben wird, die sich an der Schwelle zwischen Studium und Beruf befinden.
Im Haus der Photographie in den Hamburger Deichtorhallen eröffnet heute die begleitende Ausstellung mit dem Titel: „Balanceakt: Sicherheit“. Gezeigt werden zwölf Foto-Essays, die die Jury auswählte, und die sich den Formen von Sicherheit in der Sinneswahrnehmung der Menschen und im gesellschaftlichem Wandel annähern.
Den mit 2.500 Euro dotierten ersten Preis errang der Dortmunder Julian Faulhuber mit einer Bilderserie, die auf Parties mit vernetzten Computern („Lan-Partys“) entstanden ist. Er ergründet die vermeintliche Sicherheit virtueller Parallelwelten, sucht nach den Gefahren einer Vernetzung, „die das Interesse für Vergangenheit und Zukunft verdrängt“.
Seine Motive sind die in lichtloses Schwarz eingehüllten Rechnerarchitekturen unter den Spieltischen, aus deren elektronischem Innenleben grelle blaue und rote Lampen leuchten. Dazu gehören in den blassen Schein der Monitore getauchte Gesichter, die mit technischen „Extensions“, den Köpfhörern, scheinbar verwachsen sind.
Der Fotograf Boris Eldagesen aus Berlin stellt Arbeiten aus Melbourne vor, in denen er die Expansion „eines grundsätzlichen Misstrauens“ im gesellschaftlichen Leben wahrnimmt. Neben den USA und Großbritannien sei Australien ein brisantes Beispiel für eine verschärfte Sicherheitspolitik, die totalitäre Züge trage.
Eldagesens Fotografien sind Standbilder einer Videokamera – aufgenommen am Strand, auf dem Land, im Café. Zahlen verteilen sich darauf. Jeder einzelnen Aufnahme ist eine Sicherheitsvorschrift oder ein Verbot zugeordnet. Eldagesen katalogisierte die Gebote, die er auf Hinweisschildern, in Touristenführern oder in Verordnungssammlungen fand in einer Fibel. In dieser kann der Besucher nachschlagen.
„Sicherheit versus Freiheit – wie irrational ist der Sicherheitsbegriff westlicher Gesellschaften?“ Während einer Podiumsdiskussion zu dieser Frage illustriert der Fotograf am Beispiel Australiens, wie potenzielle und künstlich erschaffene Gefahren zu einer gesellschaftlichen Verängstigung führen. Mitdiskutieren wird Manfred Jäger, der innenpolitische Sprecher der Hamburger CDU-Bürgerschaftsfraktion.
Insgesamt begleiten vier Diskussionsabende die Wettbe-werbsausstellung. Am 25. Mai öffnet eine weitere Schau im Haus der Photographie, durch die ein photographischer Dialog an dem Kunstort entsteht: Das „Schattenkabinett“ von Roger Ballen aus Südafrika untersucht die „beunruhigende Welt der Menschen“. MART-JAN KNOCHE
„Balanceakt: Sicherheit“, 22. Mai bis 26. August, Haus der Photographie, Info: www.deichtorhallen.de
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