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Archiv-Artikel

Triumph für die „Bukarester Schule“

Palmen-Gewinner Mungiu ist Teil einer rumänischen „Nouvelle vague“, sagt der Osteuropaexperte Nikolaj Nikitin

taz: Herr Nikitin, vor zwei Jahren gewann Cristi Puiu mit „The Death of Mr. Lazarescu“ in Cannes den Preis der Reihe „Un Certain Regard“, jetzt erhält Cristian Mungiu mit „4 Monate, 3 Wochen, 2 Tage“ gar die Goldene Palme. Es ist schon von einer „Bukarester Schule“ die Rede – zu Recht?

Nikolaj Nikitin: Auf jeden Fall. Cristi Puius internationaler Erfolg hat eine Art Welle ausgelöst, es liefen danach noch eine ganze Reihe neuer rumänischer Autorenfilme auf den Festivals, die auch viel Lob und Auszeichnungen erhalten haben – es kann durchaus von einer rumänischen „Nouvelle vague“ gesprochen werden. Die Filme stehen sich inhaltlich nahe: Oft handelt es sich um sehr kritische Auseinandersetzungen mit dem Ceaușescu-Regime, das diese Regisseur ja alle noch miterlebt haben. Da gehört etwa auch Corneliu Porumboius Film „12.08 East of Bucharest“ aus dem letzten Jahr dazu, der von einem Dorf erzählt, in dem die Revolution gar nicht stattgefunden zu haben scheint.

Wie würden Sie die Form dieser Filme beschreiben, woran sind sie ästhetisch orientiert?

Das ist natürlich vom US-kommerziellen Kino sehr weit entfernt – eher in der Nähe zu John Cassavetes, zum frühen Godard oder dem dokumentarischen Cinema Vérité zu verorten. Die DarstellerInnen sind dabei sehr wichtig, vor allem weil die Kamera immer ganz nah an ihnen dran ist. Überhaupt ist für die ästhetische Qualität der Filme gerade die Kameraarbeit sehr wichtig; Oleg Mutu, der auch der Kameramann von „Death of Mr. Lazarescu“ war, hat in „4 Monate, 3 Wochen, 2 Tage“ fast alles aus der Hand gefilmt. So entstehen sehr unmittelbare und lange nachwirkende Bilder.

Wie sehen die Fördermöglichkeiten für derartige Filme aus? Ein so langsames, anspruchsvolles Kino mit begrenzten Erfolgsaussichten hat es da vermutlich nicht leicht?

Das ist in der Tat alles andere als einfach. Cristian Mungiu hatte große Schwierigkeiten, das ganze Projekt überhaupt auf die Beine zu stellen. Es handelt sich um eine ausgesprochene Low-Budget-Produktion. Und es ist keineswegs so, dass Puiu und sicher auch Mungiu mit ihren Preisen aus Cannes zurückkehren und nun ohne Probleme ihre nächsten Projekte finanziert bekommen. Aber natürlich ist man jetzt international aufmerksam geworden. Da wird es in Zukunft hoffentlich bessere Produktionsmöglichkeiten für die jungen Talente geben, auch mit westlicher Hilfe. Deshalb kann man der Jury unter Stephen Frears nur dankbar sein, dass sie diese mutige Entscheidung getroffen hat.

INTERVIEW: EKKEHARD KNÖRER