: Sebastian Block schaut von draußen rein und Herpes gehen aus sich raus
Früher sang Sebastian Block bei Mein Mio. Eine Band, die hieß wie ein Kinderbuch und die man auch nicht dringend kennen musste. Eine umso schönere Überraschung ist „Bin ich du“ geworden, das erste Album von Block unter eigenem Namen. Auf dem singt der vor zehn Jahren aus der Stadt Brandenburg nach Berlin geflüchtete Musiker unprätentiöse, aber trotzdem nicht abgeklärte Lieder über die Liebe, das Leben und vor allem den Zweifel, der bei diesen beiden Themen sonst ja gerne mal unterschlagen wird. „Ich weiß es nicht“, wiederholt Block gleich mehrfach im Titelsong. Nehmen wir den Satz als Programm. Denn die Unsicherheit und das Infragestellen ziehen sich wie Leitmotive durch das Album. Mal vergisst der Sänger seine Pläne, mal wacht er morgens auf und hat Angst, die Augen zu öffnen, weil er sich fragt, ob die Frau von gestern noch da ist. Wenn er sich seit Langem erstmals wieder neu verliebt hat, will er „gar nicht wissen, was es ist“. Und macht sich dann doch Mut: „Manchmal ist es besser, ahnungslos zu sein.“ Da muss man gar nicht nach gesellschaftlichem Anschluss suchen oder nach politischer Relevanz, Block ist ein Singer-Songwriter-Album im besten Sinne des Wortes gelungen, weil er den Blick zwar penetrant nach innen richtet, aber das eigene Seelenleben dann doch erstaunt von außen begutachten kann wie „ein Astronaut, der auf die Erde schaut“. Das alles würde aber nicht so gut funktionieren ohne die Musik, die sich zwar dem Gesang unterordnet, aber dann doch Akzente setzt, und immer wieder fröhlich und sommerlich die Melancholie abschwächt. So darf Block sogar „Dunkelheit, Du trägst ein Kleid aus Sternen“ auf „Einsamkeit, ich will Dich kennenlernen“ reimen, ohne gleich im Kitsch zu versinken.
Diese Gefahr besteht bei Herpes sowieso nicht. Dazu ist deren Punkrock viel zu hurtig. Zwar hat die Band auf ihrem zweiten Album einen etwas langsameren Gang eingelegt, aber auch auf „Symptome und Beschwerden“ passen immerhin noch zehn Songs in gut 26 Minuten. Das ist, sollte man denken, nicht nur zu schnell für Schmalz, sondern da bleibt auch keine Zeit zum Grübeln. Aber weit gefehlt: Im Gegensatz zum hochgelobten Erstling „Das kommt vom Küssen“ haben Herpes aus ihrem Punkrock die forsche Naivität endgültig getilgt. Womöglich hat ja die gemeinsame Tour mit den Fehlfarben da Spuren hinterlassen. Jedenfalls erinnern Herpes nicht mehr an die frühen Ideal, sondern eher an die schon immer grummeligen The Fall. Statt Hits im Schnelldurchgang gibt es nun Tiraden mit mieser Laune. Auch inhaltlich hat man sich verändert: Nicht mehr die Auseinandersetzung mit Berlin steht im Mittelpunkt, sondern allgemeingültigere Themen, die auch im Rest der Republik interessieren könnten. Themen wie Beziehungen ohne Sex und Sex ohne Beziehung, Kinderkriegen oder Nichtkinderkriegen, das Grundrecht auf Glück und die Autobahn des Lebens. Dabei, das weiß Sänger Florian Pühs selbst, klingt er bisweilen sogar „wie ein prätentiöser Dirk von Sowieso“. Kein Wunder, wenn man da ins Grübeln gerät. THOMAS WINKLER
■ Sebastian Block: „Bin ich du“ (Januar/Broken Silence), live am 25. 6. im Privatclub
■ Herpes: „Symptome und Beschwerden“ (Tapete/Indigo)