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Archiv-Artikel

„Er ist wie Google“

BEOBACHTEN Der Aushilfshausmeister der taz, Helmut Höge, bekommt heute den Ben-Witter-Preis

Von ILK
Ulrich Stock

■ 55, ist Reporter bei der Zeit und schreibt u. a. über Schach, mit Höge möchte er gern mal durch die Hafencity spazieren.

taz: Herr Stock, wann Sind Sie unserem taz-Kollegen Helmut Höge zum ersten Mal begegnet?

Ulrich Stock: Wir haben vor Jahrzehnten einen Spaziergang in Berlin-Kreuzberg gemacht. Ganz langsam. Er konnte an jeder Ecke das, was demnächst vielleicht die Google-Brille kann: Tiefeninformationen geben.

Wieso sind Sie ausgerechnet mit ihm spazieren gegangen?

Höge hat in den 80ern auch für die Zeit geschrieben. Verschiedentlich habe ich seine Texte betreut. Ich war fasziniert von ihm und wollte ihn kennenlernen.

Was hat Sie so fasziniert?

Sein Blick. Die erste Geschichte, an die ich mich erinnere, ist diese: Er hatte bei Trödlern insgesamt 15.000 Dias von Verstorbenen aufgekauft und nach neuen Kriterien sortiert. Zum Beispiel „Frauen auf Bänken“ oder „Frauen auf Bänken vor Bergen“ oder nur „Bänke vor Bergen“. Damit ist er durch Altenheime getourt und hat Diavorträge gemacht. Das fand ich irre.

Hat Ihre Begeisterung das erste Treffen überstanden?

Auf jeden Fall. Sie dauert noch an, weil ich mich heute noch an Geschichten erinnere, die er in den 80ern geschrieben hat. Bedenkt man, wie viel wir lesen und hören, ist es für einen Journalisten eine besondere Qualität, wenn Texte in Erinnerung bleiben.

An welchen denken Sie zuerst?

An den „Gelben Wedding“. Höge hatte in Berlin eine Thailänderin kennengelernt, die anschaffen ging oder einen Club betreiben wollte, so genau wusste man das nicht. Eine unglaubliche Mischung aus Räuberpistole, Wissenswertem über Thailand und Tiefenrecherche. Ich habe sie jetzt noch mal gelesen, mit dem selben Vergnügen wie damals.

Höge wird als „unkonventioneller Gegenwartsbeobachter“ mit dem Ben-Witter-Preis ausgezeichnet. Welchen Blick auf die Welt hat er?

Heute werden Informationen sehr schnell vermittelt, oft hierarchisch aufgebaut und die Emotion wird unheimlich angehoben, um die Leute zu interessieren. Bei Höge sind immer viele Ebenen gleichzeitig da. Er hat zum Beispiel ein Buch über den Hund geschrieben: Das hat Darwin, Berliner Hundewettbewerbe und französische Philosophen zitiert. Man versteht überhaupt gar nicht, wie der Text aufgebaut ist und weiß nicht, ob der Text einem den Hund näherbringt oder eher entfremdet. Es ist ungemein anregend, wie er vom Hundersten ins Tausendste kommt.  INTERVIEW: ILK

Auszeichnung von taz-Autor und Aushilfshausmeister Helmut Höge, Ulrich Stock hält die Laudatio: 19 Uhr, Literaturhaus