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Archiv-Artikel

Mein Berlin, das lob ich mir

ZUSTANDSBERICHT Die Hertie-Studie belegt, dass immer mehr Hauptstädter ihre Heimat lieben. Am wohlsten fühlen sich die Spandauer. Am wenigsten wohl die Kreuzberger

Das neue Credo von Berlin: „Noch nicht wohlhabend, aber ganz schön attraktiv“

KLAUS HURRELMANN, SOZIALWISSENSCHAFTLER

VON SEBASTIAN HEISER

Die Berliner finden Berlin toll. 59 Prozent können der Aussage, dass sie gern in Berlin leben, voll und ganz zustimmen, wie eine Umfrage der Hertie-Stiftung ergab. „Die Zufriedenheit der Berliner hat seit 2009 sogar noch zugenommen“, so Helmut Anheier, wissenschaftlicher Leiter der Studie. Und zwar „ausgeprägter, als es objektive Indikatoren wie Einkommen, Arbeitslosigkeit oder die Wohnungssituation vermuten lassen“. Allerdings wurden nach der Meinung zu Berlin nur Personen befragt, die derzeit in Berlin wohnen – nicht auch solche, die in letzter Zeit weggezogen sind.

Die Identifikation mit der Stadt ist hoch: 57 Prozent der Befragten fühlen sich „voll und ganz“ als Berliner. Und das trotz des Umstands, dass mehr als die Hälfte der 2.000 telefonisch Befragten gar nicht in Berlin geboren ist. Doch auch die Zugezogenen fühlen sich in der Stadt schnell einheimisch.

Für Anheier ist das größte Potenzial dieser Stadt „der Optimismus ihrer Bewohner, gepaart mit der offensichtlich hohen Anziehungs- und Integrationskraft“. Die Autoren der aus der Befragung entstandenen Studie mit dem Titel „Die Hauptstädter“ sprechen von einer „trotzigen Liebe“, die sich trotz neuer Probleme wie Wohnungsmangel, Flughafen-Misere, S-Bahn-Probleme und Verdrängung sozial schwacher Berliner in die Randbezirke immer wieder durchsetze.

Arm, aber sexy – dieser Slogan gelte nicht mehr für Berlin, sagte Sozialwissenschaftler Klaus Hurrelmann. Das neue Credo müsse vielmehr lauten: Noch nicht wohlhabend, aber ganz schön attraktiv. In der Hauptstadt zu leben sei heute ein Statussymbol, sagte Soziologin Michaela Kreyenfeld. Berlin gelte als die vitalste und exzentrischste deutsche Stadt.

In den zentralen Bezirken Mitte, Prenzlauer Berg und Friedrichshain-Kreuzberg lebe inzwischen ein junger, dynamischer und zunehmend auch internationaler Kern. Dagegen alterten Außenbezirke wie Spandau oder Mahrzahn-Hellersdorf langsam. Hierhin weichen auch oft Familien aus, die sich die Innenstadt nicht mehr leisten können. Das heißt aber nicht, dass die Bewohner dort weniger zufrieden sind – im Gegenteil. Die Lebenszufriedenheit ist in Spandau am höchsten, gefolgt von Steglitz-Zehlendorf und Charlottenburg-Wilmersdorf. Am wenigsten zufrieden sind die Menschen in Friedrichshain-Kreuzberg.

Die Stadt ist so attraktiv, dass immer mehr Menschen herziehen: Die Zahl der Bewohner wächst jährlich um etwa ein Prozent. Weil vor allem junge Menschen kommen, sinkt der Altersdurchschnitt in Berlin auch langsam. Am niedrigsten ist das Durchschnittsalter in Friedrichshain-Kreuzberg (37,5 Jahre), Mitte, Pankow, Neukölln, Marzahn-Hellersdorf und Lichtenberg. Am ältesten sind dagegen die Bewohner von Steglitz-Zehlendorf (46,1 Jahre), Charlottenburg-Wilmersdorf, Treptow-Köpenick, Reinickendorf, Spandau und Tempelhof-Schöneberg.

Der Zuzug sorgt auch dafür, dass Berlin ziemlich international ist: 17 Prozent der Bewohner sind im Ausland geboren. Im Jahr 2012 migrierten die meisten Personen aus Polen, Bulgarien, Rumänien, Italien und Spanien. Den größten Anteil an Ausländern hat Mitte (29 Prozent), gefolgt von Neukölln und Friedrichshain-Kreuzberg. Den geringsten Ausländeranteil gibt es in Pankow, Marzahn-Hellersdorf, Lichtenberg und Treptow-Köpenick.

Migration nach Mitte

Den größten Anteil an gebürtigen Berlinern haben übrigens Spandau (67 Prozent), Reinickendorf, Steglitz-Zehlendorf, Tempelhof-Schöneberg und Teptow-Köpenick. Den höchsten Anteil an Zugezogenen weisen Mitte (63 Prozent), Lichtenberg, Friedrichshain-Kreuzberg, Pankow, Neukölln und Charlottenburg-Wilmersdorf aus.

Die Arbeit des Senats schneidet am besten auf den Feldern Kulturpolitik ab – da meinen 87 Prozent, die Politik mache sehr gute oder gute Arbeit. Auch die Wasserversorgung, der Nahverkehr und die Gesundheitsvorsorge werden gut bewertet. Unzufrieden sind die Berliner allerdings mit dem BER-Management: Das bewerten 90 Prozent als sehr schlecht oder schlecht. Auch auf den Feldern Armutsbekämpfung, Wohnungsmarkt und Arbeitsplätze bekommt die Politik schlechte Noten.

Der Service der Verwaltung wird dagegen überwiegend positiv eingeschätzt: Immerhin zwei Drittel der Befragten fühlt sich von den Behörden freundlich und kompetent beraten.