ausgehen und rumstehen : In Caputh pfeift es sich relaxter auf die Welt als in Knuthausen
Wie sieht eigentlich Bernhard Brink aus? Alt, braungebrannt und blöd? Jedenfalls meinten die gut gelaunten Damen am Counter des Zoos bei der Pressekartenvergabe, ich sähe dem Schlagerfuzzi ähnlich. Der Eisbär sah früher mal dem Hund der Kunstredakteurin recht ähnlich und hätte auch von ihm gedoubelt werden können. Jetzt aber, wo er aus der Kinderstube raus ist, sieht er eigentlich vor allem den großen Eisbären im Gehege nebenan ähnlich.
Vielleicht ist es auch deswegen nicht mehr so voll bei Knut. Keine Schlangen mehr vorm Bären. „Wie haben die denn die Mutter gefangen?“, fragt ein kluges Kind die Eltern. Touristen klären sich gegenseitig auf: „Knut is very famous in Europe. He posed with Leo DiCaprio on Vanity Fair. The first one raised by humans.“ Hinter dem Gehege haben Zoo-Humans einen Stand mit Plüschknuts (ab 9,50 Euro) und dem mittlerweile schon zweiten Teil der Knut-Bio-DVD („Lehrjahre eines Eisbären“) aufgebaut. Der Andrang ist auch hier mäßig. Von diesem Pfleger und Freund des Eisbären ist schon gar nichts mehr zu sehen. Der Bär selbst liegt hinter einem Fels in der Sonne und döst. Er legt sich komischerweise nicht in den Schatten. Als er sich mal aufrappelt, machen viele ein Foto.
Die Malaienbären nebenan hängen relaxt auf einem Baumstamm. Auf einer Tafel wird ihre Wöchnerinnenhöhle beschrieben. Wir gehen Richtung der Wildhunde, die ich immer für fiese Hyänen hielt. Gern würde man ihnen ein Schnitzel vom skihüttenartigen Restaurant gegenüber in die Klauen werfen. Insgesamt besehen: nix los in Knuthausen. Also folgen wir dem Ratschlag Einsteins: Komm nach Caputh und pfeif auf die Welt. Eine Datsche von einem spendablen Münchner, der sich das Ding leistet, aber nicht nutzt, macht’s möglich. Vorher durch die Hölle der Potsdamer Bahnhofsarkaden. Da wir nur Bier, Milch und Leberwurst brauchen, können wir uns das schreckliche Kaufland sparen. Obwohl man hier bei Semi-Promis wie Tatort-Kommissar Jörg Schüttauf kontrollieren kann, was sie in den Wagen packen. Wir kaufen das leckere Partygetränk „Stier Bier“.
Sechs Kilometer später sind wir in Caputh. Dort geht’s direkt ins Fährhaus, berühmt vor allem für seinen riesigen Pflaumenkuchen. Leider aber auch für seinen Hang zum Konservativen. Niemals nie servieren sie Spaghetti, auf der Karte fast nur Gerichte mit fetter brauner Soße. Die leichtesten darunter sind Eierkuchen und Hefeklöße. Dafür kann man von der Holzterrasse aus prima Motorbootfahrer beobachten, die im letzten Moment bremsen, um ihren Dampfer nicht vom Seil der Zugfähre aufschlitzen zu lassen. Vorn auf Deck liegende barbusige Motorbootnixen kommen dabei leicht ins Rutschen. Immer wieder gern erzählt man im Fährhaus, wie ein Autofahrer mit Navigationssystem nachts ins Wasser plumpste. Am schönsten wirken solche Geschichte abends bei Kerzenschein auf der Veranda – elektrische Lampen hat man hier nie eingebaut.
Die Essensfrage aber bleibt bei akuter Grillunlust eine leidige. Kulinarische Highlights darf man auch vom Asia Bistro nicht erwarten. Dafür aber Überraschungen. „Gyros Pfanne“ steht unter „Deutsche Gerichte“. Die Nummern auf den ausliegenden Menü-Zetteln sind dreistellig und stimmen nicht mit den zweistelligen im Imbiss selbst überein. Statt „340 Rindfleisch Chop-Suey“ erhält man so schon mal „35 Hühnchen Chop-Suey“. Statt Alster warmes Bier. Statt scharfer Soße nix. Aber dafür geschenkt eine goldene Dose mit einem Trendgetränk aus Malaysia. Es heißt „White Fungus: Bird’s Nest“ und ist zweieinhalb Jahre haltbar, von denen erst anderthalb rum sind. Unter Inhaltsstoffe steht neben Fungus De Blanc tatsächlich auch Bird’s Nest. Für ein Vogelnest-Derivat schmeckt das süßlich-weißliche Zeug mit unbeweglichen dicken Flocken drin eigentlich ganz gut. Auf dem Kindl zum Nachspülen steht seit neuestem eine leise drohende Aufforderung: „Bier bewusst genießen“. ANDREAS BECKER