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Archiv-Artikel

Versuch, den Horizont zu beschreiben, Nr. 2

An sonnigen Tagen ist der Horizont wie Klebstoff. Dann hält er Himmel und Erde als zwei Hälften zusammen, pappt sie aneinander, die Naht ganz klar. Nicht wie bei Wolkengestöber, wenn Himmel und Erde verschmelzen.

An sonnigen Tagen ist der Horizont eine Diva. Dann will er sichtbar sein, bewundert werden in seiner Klarheit und Pracht und Weite.

Weit, weit – so wird der Horizont oft beschrieben. Oder grenzenlos. Ich habe das nie verstanden. Als Kind meinte ich, am Horizont das Ende unseres Planeten sehen zu können. Ich musste nur lange genug aufs Meer schauen, hinter das Dunkelgrün des Wassers und auch das Dunkelblau, und irgendwann kam der Strich, an dem die Welt aufhörte.

Und jetzt? Es mag an meiner Bereitschaft liegen, an das Konkrete zu glauben, dass ich, wenn ich über mir nichts sehe außer einer dicken Kokosnuss, die im Palmwipfel hängt, unter mir nur die Kaimauer und Wellen, die an den Strand schwappen, und vor mir die Linie, an der Blau auf Blau trifft und Verständliches auf das, was wir nicht verstehen und darum Nichts oder Unendlichkeit nennen, dann immer noch denke: Dort ist die Welt zu Ende. ANNABELLE SEUBERT