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Archiv-Artikel

Freiheit im Wohnzimmer

KONZERT Als Nebenprojekt des Dinosaur-Jr.-Bassisten Lou Barlow gegründet, wurden Sebadoh in den Neunzigern zu Pionieren des Lo-Fi: Die Band steht für Songs, die zwischen Pop, Folk, US-Punk und hartem Rock oszillieren

VON MICHAEL SAAGER

Wiedervereinigungen von Bands führen selten zu überzeugenden Resultaten. Da aber relativ wenig auf dem Spiel steht – abgesehen von einer Prise Nachruhm und etwas Geld für die Musiker und, auf Fanseite, die Aussicht auf einen risikofreien Hüpfer ins Glücksgefühlsplätscherbad der Nostalgie –, darf man Bandwiedervereinigungen im Allgemeinen locker abnicken. So überflüssig sie in künstlerischer Hinsicht sein mögen.

War nach der Reunion der legendären US-Indie-Band Dinosaur Jr. im Jahr 2005 die Wiedervereinigung der personell und musikalisch eng verwandten Lo-Fi-Schrammel-Gruppe Sebadoh unbedingt nötig? Schwer zu sagen. Immerhin aber gibt es eine gewichtige musikalische Hinterlassenschaft dieser 1989 in Westfield, Massachusetts, als Seitenprojekt von Dinosaur Jr. gegründeten Band. Denn möglicherweise haben insbesondere jüngere Musikinteressierte keinen Schimmer von Lo-Fi, da Bands der Gegenwart – von den Japandroids, No Age, Casiotone For The Painfully Alone und ein paar anderen einmal abgesehen – lieber andere Sachen machen.

Für den Anfang reicht vielleicht der Tipp, ein paar Songs auf der Myspace-Seite der Band (www.myspace.com/sehbahdough) anzuklicken. Auf jeden Fall „Stars for Eyes“, diesen großen kleinen, heiter-melancholischen Hit von Sebadohs erstem offiziellen Longplayer „III“ aus dem Jahr 1991. „Stars for Eyes“ klingt, als würden Sebadoh in einer Waschmaschinentrommel mit eierndem Lauf spielen – wäre da nicht der hübsch dilettantisch anmutende Flanger-Effekt auf der Gitarre, der dem Song eine leicht spacige Note gibt. Ganz zauberhaft auch, wie Lou Barlow und (vermutlich) Schlagzeuger Eric Gaffney mehr oder weniger haarscharf aneinander vorbeisingen und brummeln.

Lou Barlow, bei Dinosaur Jr. noch der unglückliche Bassist, dessen Songs Bandleader J Mascis partout nicht ins Dinosaur-Jr.-Oeuvre aufnehmen wollte, weil er wusste, dass Barlow der Talentiertere von beiden war, griff bei Sebadoh kurzerhand zur Gitarre. 1991 kam Jason Lowenstein als Bassist hinzu.

Wie die meisten Lo-Fi-Bands betrieben auch Sebadoh sogenanntes Home-Recording. Rein ins Wohnzimmer, Vierspurgerät an – los ging‘s. Lange brauchte es nicht, da hatte sich das Trio – zusammen mit Smog, Beat Happening und Guided By Voice – mit lässigsten Schrammelhymnen und wahrhaft exhibitionistischen Texten an die Spitze der Lo-Fi-Bewegung gespielt.

Ob Sebadoh von Chris Knox‘ Tall Dwarfs wussten, dieser 1981 in Neuseeland gegründeten Proto-Lo-Fi-Band? Man sollte es annehmen: Viele Stücke auf „III“ und nicht wenige auf Sebadohs Alben „Bubble And Scrape“ (1993) und „Bakesale“ (1994) erinnern an die Tall Dwarfs. Was auch damit zu tun hat, dass Lou Barlow, wie Chris Knox, musikalische Freigeistigkeit schätzte. So machte er keinen großen Unterschied zwischen Pop, Folk, US-Punk und hartem Rock – und warf mitunter alles zusammen.

■ Di, 9. 8., 21 Uhr, Knust, Neuer Kamp 30