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Archiv-Artikel

Stadtteilblog sucht nach Personal und Perspektive

KIEZ Neuköllner Internetauftritt feiert 500. Ausgabe. Die Zukunft ist aber alles andere als gesichert

„Der Blog beruht auf reiner Selbstausbeutung“, sagt der Mitbegründer

Egal, ob es sich um Streetart oder einen politischen Protest handelte, das Neuköllner Internetmagazin „Das gemeine Wesen“ (das-gemeine-wesen.blog.de) war in der Berichterstattung oft schneller als die Printmedien. Vor einigen Wochen feierte es ein rundes Jubiläum: „Seit November 2009 haben wir versucht, Euch jeden Tag mit Neuigkeiten über Neukölln – manchmal auch von jenseits des Tellerrandes – zu versorgen“, kommentierten die StadtteilbloggerInnen ihre 500. Ausgabe.

Doch zurzeit wird die Internetzeitung nur sporadisch aktualisiert. Dafür hat die Perspektivdebatte begonnen. „Der Blog beruht auf reiner Selbstausbeutung. Alle Beteiligten arbeiten unentgeltlich und bringen im Zweifelsfall sogar noch Geld mit“, beschreibt Peter Brunnett die Misere.

Der Neuköllner hat den Blog vor gut anderthalb Jahren mit sechs MitstreiterInnen gegründet. „Mir ging es um ein Stadtmagazin, das strittige politische und kulturelle Themen im Kiez aufgreift und nicht um die Schaffung eines Werbeumfeldes“, beschreibt seine anfänglichen Vorstellungen. „Das Gemeine Wesen“ hat in den letzten Monaten auch die BezirkspolitikerInnen nicht geschont. So sorgte eine im März 2011 auf dem Blog veröffentlichte Exklusivrecherche über den Konflikt zwischen der Task Force Okerstraße im Schillerkiez und deren damaligem sozialarbeiterischen Arm Integra e. V. für Wirbel und Debatten in der BVV. Dort zitierten PolitikerInnen aus dem Blog-Bericht.

Dadurch wurde „Das gemeine Wesen“ auch von politischen AktivistInnen aus Neukölln zunehmend geschätzt. In den Randnotizen, einer sporadisch erscheinenden linken Stadtteilzeitung, wurde der Blog als Lesetipp empfohlen. Weil dort über die drohende Schließung von Jugendeinrichtungen ebenso berichtet werde wie über die neuesten Entwicklungen in Sachen Bürgerarbeit und die Umstrukturierung des Bezirks, habe das Internetmagazin einen hohen Gebrauchswert für sie, meinte die Aktivistin einer Neuköllner Erwerbslosengruppe, die in der Vergangenheit auch mal einen Beitrag auf dem Blog veröffentlichte. Für eine ständige Mitarbeit fehle ihr aber die Zeit.

Das Problem ist Redaktionsleiter Peter Brunnett schon seit langem bekannt. Mit einer Handvoll fester Freiwilliger könne das Magazin weiter ausgebaut werden, betont er. Bisher bleibe die gesamte Redaktionsarbeit an sehr wenigen Mitarbeitern hängen. Für das Werben von Spenden und AnzeigenkundInnen bleibe dann aber keine Zeit mehr.

Brunnett will mit dem Blog die „virtuelle Kleingärtnerei der Projekte“ überwinden. Das ist allerdings nicht so einfach: Auch in der virtuellen Welt baue fast jedes Projekt eine eigene Internetpräsenz auf. Dabei wäre eine Kooperation nicht nur zeitsparend, sondern würde auch die Sichtbarkeit und damit die Wahrnehmung in der Öffentlichkeit erhöhen. Fünf der sieben BloggründerInnen haben die Mitarbeit mittlerweile aus unterschiedlichen Gründen eingestellt oder mindestens reduziert; einige aus Zeitmangel wegen beruflicher Verpflichtungen, eine Mitbegründerin bemängelte gar die journalistische Professionalität des Blogs.

Jetzt versucht Brunnett einen neuen Anlauf, um die dünne Personaldecke zu erweitern, vor Ort im Richardkiez. Am 15. August will er ab 19 Uhr auf einer öffentlichen Redaktionssitzung im Eltern-Kind-Café Purzelbaum in der Schudomastraße 50 über die Perspektive des Stadtteilblogs beratschlagen. Peter Nowak