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Archiv-Artikel

Ein weißes Tuch erregt die Gemüter

Nicht nur in Deutschland wird über die islamische Kopfbedeckung in Schulen und an Universitäten gestritten. Die ägyptische Hauptstadt Kairo erlebt derzeit ihren eigenen Streit um die Gesichtsverschleierung. Beiden Seiten geht es auch ums Prinzip

AUS KAIRO KARIM EL-GAWHARY

Es ist nicht auszumachen, ob Iman al-Zeiny siegesgewiss lächelt oder eine unbeteiligte Miene zieht. Ihre Gesichtszüge sind unter einem weißen Vollschleier versteckt, der nur ihre Augen preisgibt. Aber auch die verschwimmen hinter den Gläsern ihrer Brille. Ihre Stimme klingt jedenfalls aufgeweckt. „Es ist wichtig, im Leben konsequent zu bleiben, seine Prinzipien und seine Werte nicht aufzugeben“, sagt sie selbstbewusst.

Die junge Englischprofessorin an der islamischen Kairoer Al-Azhar-Universität kämpft derzeit an vorderster Front im Kulturkampf innerhalb der arabischen Gesellschaften. Ihr Gegner ist die Amerikanische Universität in Kairo (AUC), die Elitehochschule Ägyptens, gegründet vor fast 90 Jahren als ein Hort des liberalen Denkens und Forschens. Sie wird als Symbol eines westlichen Lebensstiles angesehen. Al-Zeiny ist die Protagonistin in einem Kopftuchstreit und sie hat einen großen Erfolg zu verzeichnen.

Denn vor dem obersten Verwaltungsgericht des Landes hat sie sich nach einem sechsjährigen Rechtstreit den Zugang zur Bibliothek der AUC erstritten, um dort weiter forschen zu können. Die Universitätsverwaltung hatte 2001 allen, die den Niqab, den Gesichtsschleier, tragen, den Zugang zum Campus untersagt. Laut Gerichtsbeschluss muss die Universität diese Entscheidung nun aufheben. Für Nizar Ghorab, den Anwalt der Klägerin, stellt sich das Urteil als Sieg zweier Prinzipien dar.

Erstens sei es Frauen nach dem islamischen Recht vorgeschrieben, sich zu bedecken. „Und zweitens geht es hier um Menschenrechte, wie Fragen der persönlichen Freiheit, der Gerechtigkeit und Gleichheit“, führt der Anwalt aus. Seine Prominenz geht auch darauf zurück, dass er in den 80er-Jahren Führungspersönlichkeiten militanter Gruppen verteidigt hatte. „Jemanden von der Ausbildung auszuschließen, weil sie sich verschleiert hat, ist schlichtweg diskriminierend“, argumentiert er.

Die Verwaltung der AUC ging nach dem Urteil auf Tauchstation. Trotz mehrfacher Nachfragen waren Mitarbeiter der Pressestelle nicht zu einem Gespräch bereit und verwiesen auf eine Erklärung im Internet. Dort heißt es: „Das Verbot, das Gesicht zu bedecken, ist eine Frage der Sicherheit. Wir respektieren aber auch die religiösen Werte unserer Studenten.“ Das Verbot sei eingeführt worden, „weil Mitglieder der Universität grundsätzlich das Recht haben sollten, zu wissen, mit wem sie zu tun haben, sei es in der Klasse, in den Labors, in der Bücherei oder irgendwo sonst auf dem Campus. Dies ist keine Angelegenheit der Religion, zumal die Universität das Tragen eines einfachen Kopftuches nicht verbietet.“

Al-Zeiny stellt ihren Erfolg als „Sieg Ägyptens“ dar. „Jeder Ort in Ägypten muss sich nach ägyptischen Regeln verhalten“, sagt sie. Ihr Anwalt verweist auf die Verfassung: „Wir haben unsere erfolgreiche Verteidigung darauf aufgebaut, dass der Niqab in der Scharia vorgeschrieben ist. Und Artikel zwei unserer Verfassung besagt, dass die Prinzipien des islamischen Rechts eine der Quelle der Gesetzgebung sein muss.“

In einem Cafe auf dem auf dem Campus der AUC in der Kairoer Innenstadt treffen sich die Studentinnen und Studenten auch in den Semesterferien, um mit ihren Kommilitonen Tee zu trinken. Sie können sich nicht vorstellen, dass demnächst Vollverschleierte unter ihnen weilen könnten, die ihre Verhüllung als „ägyptisches“ Kulturgut ansehen. „Wenn ich jemanden mit Gesichtsschleier sehe, wie kann ich mit ihr in Gespräch kommen?“, fragt die Kommunikationsstudentin Nura. „Und woher sollen die Professoren bei einer Gesichtsverschleierten in der Prüfung wissen, mit wem sie es zu tun haben?“, fragt sie.

Für Lubna, die ein Kopftuch trägt, ist dass Ganze eine Frage der Sicherheit. „Eine Gesichtsverschleierte müsste ihr Gesicht bei der Sicherheitsschleuse am Eingang zeigen, sonst weiß keiner, ob es sich um die gleiche Person wie auf dem Studentenausweis handelt“, sagt sie.

Al-Zeiny lässt diese Einwände nicht gelten. „Ich will nicht an der AUC studieren oder lehren, sondern nur die Bücherei benutzen. Mein einziger Austausch dort wird der mit den Büchern und den Computern sein“, erläutert sie. „Ich habe der Verwaltung auch erklärt, dass ich bereit bin, am Eingang selbst dem männlichen Sicherheitspersonal kurz mein Gesicht zu zeigen“, wirft sie ein. Schließlich ginge es auch um ihre eigene Sicherheit, und sie wolle nicht, dass jemand den Niqab missbrauche.

Doch für Rania, die sich ebenfalls ein Kopftuch umgebunden hat, geht es wie für al-Zeiny ums Prinzip. „Das hier ist eine liberale und weltoffene Universität. Daher kann man nicht voll verschleiert sein“, sagt sie. „Keiner sollte mich zwingen können, meine Ideen aufzugeben. Das nennt man Freiheit.“