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Archiv-Artikel

„Fataler Filmriss“

PROZESS Rainer Jochem verteidigt einen Azubi, der wüst randaliert haben soll – wegen K.-o.-Tropfen

Rainer Jochem

■ arbeitet seit 1996 als Fachanwalt für Mietrecht in Bremen.

taz: Herr Jochem, Sie vertreten heute einen Mandanten, dem K.-o.-Tropfen eingeflößt worden sein sollen. Ist das beweisbar?

Rainer Jochem: Leider nicht, das ist das strukturelle Problem bei dem sich ausbreitenden Phänomen der K.-o.-Tropfen. Man muss den Nachweis der entsprechenden Stoffe im Körper sehr rasch durchführen, sonst ist die medizinische Beweisbarkeit verpasst. Das aber hat die Polizei nicht nur im Fall meines Mandanten versäumt.

Ihm wird vorgeworfen, schwer in dem Mietshaus randaliert zu haben, in dem sein Vater wohnt, dem daraufhin fristlos gekündigt wurde. Nun soll Ihr Mandant auch circa 5.600 Euro Schadensersatz zahlen. Wie können Sie dagegen argumentieren?

Die Polizei sagt, mein Mandant habe einen alkoholisierten Eindruck gemacht. Allerdings wurde er auf Alkohol eben so wenig wie auf K.-o.-Tropfen getestet. Auf jeden Fall war er in einem Zustand tief greifender Bewusstseinsstörung und hat daher unverschuldet gehandelt. Für ihn als Auszubildenden wäre es im Übrigen auch sehr schwierig, dieses Geld aufzubringen.

Wie ist denn Ihre Version der betreffenden Nacht?

Mein Mandat hat in einer Discothek nur einen einzigen Drink eingenommen, musste kurz auf die Toilette – und hatte anschließend einen kompletten Filmriss. Nur auf Grund einer Garderobenmarke, die sein Vater später in seiner Hosentasche fand, konnte überhaupt rekonstruiert werden, in welcher Discothek er gewesen war. Dort hat er dann tatsächlich seine Jacke gefunden, allerdings ohne Portemonnaie.

Bisher sind K.-o.-Tropfen vor allem dafür bekannt, dass sie Menschen außer Gefecht setzen, um beispielsweise Missbrauch Vorschub zu leisten. Bei Ihrem Mandanten war das also anders?

Es gibt individuell sehr verschiedene Reaktionen auf solche Gifte. Beispielsweise die Variante des allergischen Schocks, aber eben auch die der unkontrollierten Aggressivität. Da besteht noch sehr viel Aufklärungsbedarf. In Bezug auf meinen Mandanten ist es so, dass er als sehr friedlicher Mensch gilt, der in geordneten Verhältnissen lebt und dem ein derartiges Ausrasten unter normalen Umständen nicht zuzutrauen ist. Was tatsächlich geschehen ist, könnte letztlich nur er selbst wissen – wenn es diesen fatalen Filmriss nicht gäbe. Es ist dringend erforderlich, dass mit der Problematik der K.-o.-Tropfen aufmerksamer umgegangen wird, auch seitens der Rettungsdienste und der Polizei. Wichtig wäre zudem, dass die Angehörigen schnell benachrichtigt werden.Interview: HENNING BLEYL

Prozess: 12.30 Uhr im Amtsgericht, Zimmer 123