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Archiv-Artikel

Drei Koalitionäre, drei Finanzmodelle

KOSTEN Die schwarz-gelbe Koaltion ist uneins darüber, woher zusätzliches Geld für die Pflege kommen soll

Die FDP: Pocht auf die Umsetzung des Koalitionsvertrags. Danach soll es in Ergänzung zur existierenden, von Arbeitgebern und Arbeitnehmern paritätisch finanzierten Pflegeversicherung als zweite Säule künftig eine kapitalgedeckte Zusatzversicherung geben. Jeder Versicherte wäre dazu verpflichtet, über eine feste Prämie individuell Geld für seine Zukunft anzusparen. Vorteil: Das Kapital einer Privatversicherung ist vor staatlichem Zugriff und etwaiger Zweckentfremdung geschützt und kann nicht etwa bei Bedarf zum Stopfen von Haushaltslöchern eingesetzt werden. Die Privatversicherungen, klassische FDP-Klientel, könnten sich eine weitere Pfründe sichern. Nachteil: Das angesparte Geld steht frühestens in 20 Jahren zur Verfügung. Der Verwaltungsaufwand ist bald höher als die Einnahmen. Ein einkommensunabhängiger Zusatzbeitrag ist überdies sozial ungerecht: Er entlässt die Arbeitgeber aus der Verpflichtung, die Pflegeversicherung mitzufinanzieren. Er belastet Menschen mit geringen Einkommen überproportional. Und er verabschiedet sich von dem solidarischen Versicherungsgedanken, wonach Menschen Leistungen je nach ihrer Bedürftigkeit erhalten sollen und nicht nach der Höhe ihrer eingezahlten Beiträge.

Die CSU: Lehnt sowohl individuelle Zusatzbeträge ab als auch Beitragserhöhungen der umlagefinanzierten Pflegeversicherung. Kostensteigerungen in der Pflege will sie lieber über Steuerzuschüsse finanzieren. Der CSU-Chef Horst Seehofer fordert, bestimmte Leistungen aus der Pflegeversicherung auszugliedern: Insbesondere Leistungen für Behinderte sowie für Demenzkranke will Seehofer aus dem Bundeshaushalt bezahlen. Vorteil: Keine Steigerung der Lohnnebenkosten. Nachteil: Die Pflegeversicherung ist schon heute nur eine Teilkaskoversicherung, und bestimmte Leistungen, insbesondere für Demente, werden von ihr fast gar nicht abgedeckt. Weigert sich der Finanzminister, Steuermittel für die Pflege zur Verfügung zu stellen, was in Zeiten der Eurokrise nicht ganz unwahrscheinlich ist, dann bliebe es beim unbefriedigenden Status quo: einer Pflegeversicherung, die ausschließlich bei körperlichen Gebrechen greift, nicht aber bei der wachsende Zahl psychisch-kognitiver Beeinträchtigungen in einer alternden Gesellschaft.

Die CDU: Will ebenfalls eine zweite Säule einführen zur Finanzierung der Pflegeversicherung. Über das Wie allerdings ist sie intern uneins: Jüngere CDU-Abgeordnete um den gesundheitspolitischen Sprecher der Union, Jens Spahn, wollen das bestehende Umlageverfahren um eine individualisierte Kapitalrücklage ergänzen, ähnlich wie die Liberalen. Vor- und Nachteile: siehe FDP. Der Unionsfraktionschef Volker Kauder dagegen hat unlängst vorgeschlagen, einen Kapitalstock innerhalb der bestehenden Pflegeversicherung aufzubauen und auf diese Weise auch die Arbeitgeber an dessen Finanzierung zu beteiligen. Ähnliche Szenarien favorisieren auch die gesetzlichen Krankenkassen (GKV). Sie wollen auch an dem zusätzlichen Pflegegeschäft beteiligt werden. Kauder wiederum dürfte wissen: Eine Zusatzversicherung ohne Einbeziehung der GKV ist kaum durchsetzbar in Zeiten, in denen eine Mehrheit rechts von der Mitte, Koalitionsvertrag hin oder her, nicht mehr existiert.

Um die hierüber erzürnte FDP mit ins Boot zu holen, könnte ein Kompromissszenario so aussehen, dass zunächst eine Beitragserhöhung innerhalb der existierenden Pflegeversicherung um 0,3 bis 0,4 Prozentpunkte erfolgen würde (das entspräche jährlichen Mehreinnahmen von 3 bis 4 Milliarden Euro). Diese Beitragserhöhungen würden jedoch nicht komplett ins allgemeine System fließen und somit nicht allen Pflegebedürftigen zur Verfügung stehen. Sondern die Beitragserhöhungen (oder Teile von ihnen) würden zum Aufbau individualisierter Rücklagen genutzt werden. Konkret hieße das: Für jeden Versicherten würde ein Betrag angespart werden, der dem Schnitt der jeweils eingezahlten Beiträge entspräche. Vorteil: Die Koalitionspartner könnten das Gesicht wahren. Nachteil: Die Realisierung gilt als kompliziert. Juristisch umstritten ist zudem, ob solidarisch erbrachte Beitragsmittel individuell zugewiesen werden dürfen.

HEIKE HAARHOFF